Als Psychiater spreche ich mit vielen Patienten, für die die Corona-Krise besondere Herausforderungen birgt. Überraschenderweise birgt diese Situation aber auch Positives – für meine Patienten und für uns alle.
Seit einigen Wochen prägen die Ausgangsbeschränkungen jetzt schon unser Leben. Was die Menschen so darüber denken, ist täglich in den Medien zu lesen. Nach vielen persönlichen Gesprächen, Videosprechstunden und Telefonaten habe ich mittlerweile auch einen ganz guten Überblick, was die Situation für meine Patienten bedeutet.
Natürlich leiden auch sie unter der Situation. Es sind vor allem zwei Aspekte, die Schwierigkeiten bereiten:
Abgesehen von diesen beiden großen Problemfeldern war ich aber sehr überrascht, von meinen Patienten auch sehr viel Positives über diese Zeit zu hören.
Vielleicht sind ja viele meiner Patienten immer ein bisschen näher an den wesentlichen Dingen. Vielleicht sind sie weniger abgelenkt vom Lärm, den wir alle ständig produzieren, um uns und anderen vorzugaukeln, dass die Dinge über der Oberfläche bedeutsamer wären als alles, was sich darunter abspielt.
Alle meine Patienten sind psychisch krank. Keiner von ihnen hat sich das ausgesucht oder ist es gerne. Diese Frauen und Männer sind keine besseren Menschen und mit Sicherheit keine Privilegierten.
Aber in diesen Tagen bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass stimmt, wovon ich seit Jahren überzeugt bin: Bei mir im Sprechzimmer sitzen nicht die Verbogenen, Gestörten, Unmenschlichen und Fehlgeleiteten, von denen ich täglich hören und lesen muss. Bei mir sitzen Menschen, die durch ihr Leid und ihren ehrlichen Schmerz näher an dem dran sind, was jedem in den stillen, lichtlosen Tiefen unseres Selbst begegnet: Unsere Angst, unsere Unsicherheit, unsere Zerbrechlichkeit. Aber auch eine Ahnung davon, woran wir uns dennoch festhalten können.
Peter Teuschel
Bildquelle: Harli Marten, unsplash