In einer Studie heißt es, Raucher gelten als Risikogruppe für schwere Verläufe von COVID-19. In einer anderen ist die Rede davon, dass Nikotin bei einer Infektion eine schützende Wirkung aufweisen könnte. Und jetzt?
Obwohl sich die Ansteckungsraten mit SARS-CoV-2 zwischen Männern (51 %) und Frauen (49 %) in Spanien kaum unterscheiden, starben in dem südeuropäischen Land Männer mit einer deutlich höheren Rate (4,4 %) an COVID-19 als Frauen (2,5 %). Von den Verstorbenen litten über 30 Prozent an kardiovaskulären Vorerkrankungen, wobei etwa zehn Prozent der weltweiten Herzkreislauferkrankungen auf das Rauchen zurückzuführen sind.
Den Forschern zufolge lag die Prävalenz des Rauchens in Spanien im Jahr 2017 bei Männern bei etwa 25,6 Prozent, bei Frauen hingegen betrug sie 18,8 Prozent. Nun gaben die Wissenschaftler an, dass neuere Erkenntnisse darauf hindeuteten, dass die unterschiedliche Sterblichkeit von Männern und Frauen auf Unterschiede wie Muster und Prävalenz des Rauchens zurückzuführen sein könnte.
Dem Verdacht, dass Tabakkonsum mit einem schwereren Verlauf von SARS-CoV-2 in Verbindung steht, sind bereits viele Wissenschaftler nachgegangen. So führten mehrere Forschergruppen Metaanalysen durch, um zu überprüfen, ob Tabakkonsum sich auf den Verlauf und die Sterblichkeit von COVID-19 auswirkt.
Nach Vardavas et al. liegt die Wahrscheinlichkeit, eine intensivmedizinische Betreuung oder Beatmung zu benötigen oder an einer COVID-19 Infektion zu sterben, bei Rauchern um den Faktor 2,4 höher als bei Nichtrauchern. Und auch Alqahtani und Kollegen kommen in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass Raucher ein 1,45-fach erhöhtes Risiko für schwere Verläufe einer SARS-CoV-2 Infektion im Vergleich zu Personen aufweisen, die zuvor noch nie geraucht haben.
Eine mögliche direkte Auswirkung des Tabakkonsum auf den Verlauf von SARS-CoV-2 haben indes Forscher im European Respiratory Journal veröffentlicht. Sie fanden heraus, dass die Expression des Proteins ACE2, über das das Coronavirus in Zellen eindringen kann, im Lungengewebe von Rauchern und bei COPD-Patienten signifikant höher exprimiert wird.
Auch das Robert-Koch-Institut ordnet Raucher in die Risikogruppe für schwere Verläufe von COVID-19 ein, allerdings mit Verweis auf eine schwache Evidenz. Das merken auch die Autoren der beiden Studien an. Sie weisen darauf hin, dass in Spanien derzeit keine Daten über den Tabakkonsum von COVID-19-Patienten erfasst werden, dass diese jedoch helfen könnten, den Zusammenhang zwischen Erkrankung und Rauchverhalten zu untersuchen.
Außerdem weisen sie darauf hin, dass Kampagnen zur Reduzierung des Tabakkonsums gestartet werden sollten, zum Beispiel durch verbesserte Angebote zur Rauchentwöhnung und Verhaltensinterventionen.
Zu ganz anderen Ergebnissen in Bezug auf das Risiko des Rauchens für den Verlauf von SARS-CoV-2 kommen derweil Wissenschaftler aus Frankreich. Sie stellten die Hypothese auf, dass Nikotin möglicherweise eine schützende Wirkung in Bezug auf COVID-19 haben könnte.
Sie entwickelten die Hypothese, nachdem sie knapp 500 Patienten zu ihrem Tabakkonsum befragten. Diese wurden entweder ambulant oder stationär wegen COVID-19 am Universitätsklinikum Sorbonne (Paris) behandelt. Dabei ergab sich ein Anteil von 4,4 % Rauchern unter den 139 ambulanten sowie von 5,3 % Rauchern unter den 343 stationären Patienten. Diese Zahlen verglichen die Forscher mit den 2018 erhobenen Zahlen zum Rauchverhalten in der französischen Gesamtbevölkerung (25,4 % Raucher).
Die Forscher schlussfolgerten, dass Nikotin möglicherweise die Expression des ACE2-Rezeptors herunterregulieren könnte. Zudem entwickelten sie die Idee, Nikotinersatzpräparate, zum Beispiel in Form von Pflastern, auf ihre Schutzwirkung gegen COVID-19 zu testen.
Die Studie ist allerdings nicht unumstritten. So ist die Anzahl der in die Befragung einbezogenen Patienten sehr klein und COVID-19-Erkrankte mit sehr schwerem Verlauf, die intensivmedizinisch betreut werden mussten, konnten gar nicht befragt werden. Und auch hier verweisen die Wissenschaftler auf die bisher schwache Evidenz.
Quellen: © Rubén Permuy Iglesias/ UOC // JC Vázquez et al. / TID // M Miyara et al. / Qeios
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