Das Umweltbundesamt hat versucht, die Auswirkungen abgasbedingter Stickoxide auf unsere Gesundheit zu quantifizieren. Ihr Ergebnis: Rund 6.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an den Folgen der Stickoxid-Exposition. Wie aussagekräftig ist die Studie?
Wie viele umweltbedingte Erkrankungen lassen sich in Deutschland auf eine Stickstoffdioxid-Exposition zurückführen? Das Umweltbundesamt (UBA) hat dazu nun erstmals Zahlen vorgelegt. Als Grundlage für die Erhebung dienten Stickstoffdioxid (NO2)-Belastungskarten einerseits und Gesundheitsdaten aus Literaturrecherchen andererseits. Die Epidemiologen verglichen darin Personen, die hohen NO2-Belastungen ausgesetzt waren mit Personen, die weniger NO2-Belastung ausgesetzt waren.
Die Experten bringen 6.000 vorzeitige Todesfälle aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen mit dem Schadstoff in Verbindung. Für den Zeitraum zwischen den Jahren 2007 und 2014 errechnen sie 49.700 verlorene Lebensjahre (years of life lost, YLL) aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hinzu kommen 437.000 Patienten mit Diabetes und 439.000 Asthma-Erkrankungen, die ebenfalls auf eine NO2-Langzeitexposition zurückzuführen seien. Das UBA spricht zusammenfassend von einer niedrigen, also konservativen Schätzung. Es lässt sich also nicht ausschließen, dass noch mehr Krankheits- und Todesfälle mit der Schadstoff-Exposition in Verbindung stehen. Dazu ein Blick auf epidemiologische Fachbegriffe, die in der Studie benutzt werden:
Jede epidemiologische Studie ist nur so gut wie die zugrundeliegenden Daten. Ursächliche Beziehungen zwischen NO2-Exposition und Krankheitslast können damit zwar nicht direkt bewiesen werden, aber experimentelle und toxikologische Studien geben deutliche Hinweise auf einen direkten Zusammenhang zwischen NO2 und der Entstehung von Krankheiten. Ob aber auch die erhöhten Diabetes-Zahlen mit NO2 in Verbindung gebracht werden können, ist fraglich. Hinweise darauf, wie NO2 die Entstehung von Diabetes fördern könnte, lassen die Kohortendaten nicht zu. Hinzu kommt, dass nur vorzeitige Todesfälle aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen in die Statistik einflossen. Andere Erkrankungen, die zur Gesamtmortalität beitragen, blieben außen vor. Im Vergleich dazu nennt die Europäische Umweltagentur EEA in einer Studie eine viel höhere Zahl: Hier ist von 44.960 vorzeitigen Todesfällen in Deutschland durch NO2 die Rede. Teilweise wurden hier Auswirkungen von Feinstaub stark gewichtet, was zu höheren Zahlen geführt haben könnte. Hier liegt auch ein Problem der Studie des UBA: Die Effekte eines einzelnen Luftschadstoffs lassen sich nur schwer messen. Die in der Studie aufgeführten Erkrankungen könnten auch auf andere Luftschadstoffe, wie Feinstaub, zurückzuführen sein. Beide treten häufig gemeinsam auf.