Neue orale Antikoagulanzien (NOAK) erobern zunehmend den Markt. Ihr größter Nachteil, nämlich das Fehlen eines Antidots, könnte im Falle von Dabigatran bald der Vergangenheit angehören. Ein passendes Antikörper-Fragment steht kurz vor der Zulassung.
Dabigatran (Pradaxa®) wurde als erstes NOAK in den Markt eingeführt – laut Hersteller eine Alternative zu Warfarin oder Phenprocoumon. Während es bei diesen Vitamin-K-Antagonisten Antidota gibt, fehlten bei Dabigatran bislang geeignete Substanzen. Die Tatsache erwies sich bei nicht geplanten größeren Eingriffen als problematisch. Jetzt hat der Dabigatran-Hersteller selbst entsprechende Lücken geschlossen.
Idarucizumab, ein humanisiertes Antikörper-Fragment, bindet an Dabigatran und verhindert Effekte auf die Gerinnungskaskade. Daten der von Boehringer Ingelheim unterstützen RE-VERSE AD-Studie sollten zeigen, ob sich das Antidot in der Praxis bewährt. Eine Zwischenauswertung befasste sich mit den ersten 90 von 300 eingeschlossenen Probanden. Bei 88 bis 98 Prozent normalisierten sich Gerinnungswerte binnen weniger Minuten. Weitere 35 Patienten hatten Idarucizumab wegen nicht beherrschbarer Blutungen erhalten. Hier normalisierte sich die Gerinnung nach rund elf Stunden. Bei 33 von 36 Patienten, denen Ärzte Idarucizumab präoperativ gaben, kam es während des Eingriffs zu keinen Blutungen über das übliche Maß hinaus. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf. Darüber hinaus gab es keinen Hinweis auf prothrombotische Effekte. Eine Kontrollgruppe mit Placebo wäre aus naheliegenden Gründen ethisch fragwürdig gewesen. Deshalb lässt sich schwer sagen, welchen Benefit Idarucizumab über die Verbesserung der Blutgerinnung hinaus haben könnte, heißt es in einem Kommentar zur Studie.
Jetzt hat sich die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA für eine Zulassung von Idarucizumab ausgesprochen. Als Basis dienten Daten von 283 gesunden Probanden und 123 Patienten. Bislang ist die Europäische Kommission Empfehlungen des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) nachgekommen. Für Boehringer Ingelheim bedeutet die baldige Zulassung einen gewaltigen Schub, vermuten Marktbeobachter. Schließlich wird der Hersteller mit seinem Antidot versuchen, letzte Zweifel hinsichlich Dabigatran zu zerstreuen.