Wiederholungen von einzelnen Bausteinen innerhalb von Proteinen sind häufig die Ursache von Erbkrankheiten. Doch wie genau es vom Protein zur Krankheit kommt, ist meist unbekannt. Hier wollen nun Berliner Forscher Licht ins Dunkle bringen.
Am Beispiel der Synpolydaktylie untersuchten sie, auf welche Weise die Genveränderung ein bestimmtes Krankheitsbild hervorruft. Zentrales Steuerorgan für die Symmetrie unseres Körpers sind die sogenannten HOX-Gene. Kommt es hier zu Fehlern können beispielsweise – wie im Fall der Synpolydaktylie – überzählige Finger entstehen und diese miteinander verwachsen.
Die Forscher vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin fanden nun heraus, dass die Genveränderung zu Bildung von Proteinen mit veränderten chemischen Eigenschaften führt. Dies hat zu Folge, dass sie sich nicht mehr im richtigen Mischungsverhältnis mit anderen Molekülen zu winzigen Tröpfchen in der Zelle zusammenlagern – eine wichtige Voraussetzung für deren korrekte Funktion. Ohne diese Zusammenlagerung der Proteine zu Tröpfchen – sprich bei einer zufälligen Anordnung – bräuchte es rechnerisch zehn Milliarden Jahre um ein einziges Gen abzulesen.
Doch wie kommt es zu dieser folgenreichen Veränderung der chemischen Eigenschaften? Die HOX-Proteine bestehen aus unterschiedlichen Abschnitten: Einige weisen eine feste dreidimensionale Struktur auf, andere - sogenannte intrinsich ungeordnete Regionen (IDR) – haben keine feste Form. Diese Molekülschwänze hängen aus den Proteinen heraus und genau hier vermuteten die Forscher den entscheidenden Faktor für die Bildung von Kondensaten. Beim Gen HOXD13 besteht dieser Fortsatz insbesondere aus der Aminosäure Alanin. Bei Personen mit Synpolydaktylie ist dieser Alanin-Schwanz um mindestens sieben zusätzliche Alanine verlängert.
Um nun zu überprüfen, ob dieser verlängerte Fortsatz die Arbeitsweise des Proteins beeinflusst, mischten die Forscher, zunächst HOXD13-Moleküle unterschiedlicher Länge mit weiteren Proteinen, die es für seine Funktion benötigt. Tatsächlich konnte ihre erster Verdacht bestätigt werden: Je länger der Molekülschwanz war, desto stärker verdrängte er seine Bindungspartner aus dem Tröpfchen. Dies wurde mittels hochauflösender Mikroskopie in lebenden Zellen aus Zellkulturen nachgewiesen. Anschließend untersuchten sie Embryonen von Mäusen mit verlängertem HOXD13-Gen, die dadurch – wie der Mensch – Synpolydaktylien entwickelten. Auch hier zeigten sich andersartige Kondensattröpfchen in den Zellen der sich entwickelnden Gliedmaßen.
Die Forscher hoffen, aus dieser Erkenntnis neue Therapiemöglichkeiten ableiten zu können. Denkbar wäre beispielsweise eine medikamentöse Veränderung der Zusammensetzung dieser mutierten Kondensate. Doch ihre Hoffnung geht noch darüber hinaus: Denn wer weiß, wie vielen anderen Krankheiten dieser Mechanismus ebenfalls zugrunde liegen könnte.
Textquelle: Hnisz et al. / MPG / docc.hk/q3kh8nSymbolbild: © Skitterphoto / pexels / docc.hk/ab3vw6