Testweise ist das Blutplasma genesener COVID-19-Patienten zur Behandlung von Erkrankten bereits im Einsatz. Zur Wirksamkeit liegt nun ein Cochrane-Review vor. Darin wird vor allem ein Problem beklagt: mangelnde Evidenz.
Menschen, die sich von COVID-19 erholt haben, besitzen in ihrem Blutplasma Antikörper gegen SARS-CoV-2, die eine wichtige Rolle in der erworbenen Immunität gegen die Krankheit spielen. Aus diesem Grund könnte Plasma aus einer Blutspende von genesenen Patienten, welches solche Antikörper enthält, möglicherweise zur Behandlung von akut an COVID-19 erkrankten Patienten verwendet werden.
Dafür nutzt man entweder direkt das zellfreie Blutplasma (Rekonvaleszenten-Plasma) oder stellt aus solchen Plasmaspenden ein Hyperimmunserum mit einer besonders hohen Konzentration von Antikörpern her.
Dieses Prinzip der Plasmatherapie wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Emil von Behring entdeckt und seither erfolgreich gegen eine Reihe von Infektionskrankheiten eingesetzt. Diese Behandlungen (verabreicht durch einen Tropf oder eine Injektion) sind im Allgemeinen gut verträglich, es können aber auch unerwünschte Wirkungen auftreten.
Die Autoren des Cochrane Rapid Review wollten herausfinden, ob eine solche Plasmatherapie mit Plasma beziehungsweise Antikörpern von genesenen COVID-19-Patienten eine wirksame Behandlung für Menschen mit COVID-19 ist und inwieweit unerwünschte Wirkungen auftreten. Dafür durchsuchten die Autoren wichtige medizinische Datenbanken nach klinischen Studien zur Behandlung mit Rekonvaleszenten-Plasma oder Hyperimmunserum für Patienten mit COVID-19.
Cochrane Rapid Reviews wie dieses werden in einem beschleunigten Verfahren erstellt, das bei besonders dringlichen Fragestellungen die bestmögliche Balance zwischen Geschwindigkeit und methodischer Genauigkeit sicherstellen soll.
Die Suche der Autoren erbrachte allerdings lediglich acht abgeschlossene Studien (allesamt Fallserien) mit insgesamt 32 Teilnehmern. Die Aussagekraft war nicht nur wegen der geringen Teilnehmerzahl stark eingeschränkt. So wurden Teilnehmer in keiner dieser Studien nach dem Zufallsprinzip in verschiedene Behandlungsgruppen aufgeteilt, es fand also keine Randomisierung statt. Zudem enthielt keine der Fallserien eine Vergleichsgruppe von Personen, die ohne Rekonvaleszenten-Plasma behandelt wurden – es handelte sich also auch nicht um kontrollierte Studien. Und schließlich erhielten die Teilnehmer neben der Plasmatherapie unterschiedliche weitere Behandlungen, was den Vergleich der Studienergebnisse zusätzlich erschwert.
Aus diesen Gründen mussten die Autoren die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nach dem etablierten Bewertungsschema GRADE durchweg als „sehr gering“ einstufen. Zu gut Deutsch: Es lassen sich auf Basis der bisher abgeschlossenen Studien noch keine seriösen Aussagen über Wirksamkeit und Risiken einer Plasmatherapie gegen COVID-19 machen. Auch wenn sämtliche Studienteilnehmer die allerdings oft nur kurze Nachbeobachtungsphase überlebten und 15 von ihnen sogar die Klinik verlassen konnten, so lässt sich dieses auf den ersten Blick positive Ergebnis nach Ansicht der Autoren ebenso gut mit dem natürlichen Verlauf der Krankheit oder anderen Behandlungen erklären.
„Zusammenfassend bedeuten die Informationen aus den zum Stand Ende April 2020 verfügbaren Studien, dass wir immer noch sehr unsicher sind, ob die Verwendung von Rekonvaleszenten-Plasma Patienten mit COVID-19 hilft und wie sicher diese Therapie ist. Trotz einer umfangreichen Suche konnten wir nur Evidenz von sehr geringer Vertrauenswürdigkeit aus kleinen, unkontrollierten Studien einbeziehen, in denen die Teilnehmer neben Plasma noch etliche andere Behandlungen erhielten. Zudem nutzten diese Studien uneinheitliche Endpunkte, was den Vergleich der Ergebnisse erschwert“, erklärt Koautorin Nicole Skoetz. Sie leitet an der Uniklinik Köln das für die Review zuständige Cochrane-Netzwerk „Cochrane Cancer“.
„Aus all diesen Gründen können wir momentan nicht unterscheiden, ob die Genesung eines Patienten auf die Behandlung oder den natürlichen Verlauf der Krankheit zurückzuführen war.“ Allerdings bedeutet dieser Mangel an guter Evidenz durchaus nicht, dass die Wirksamkeit einer Plasmatherapie gegen COVID-19 damit widerlegt wäre. Und es gebe durchaus Grund zur Hoffnung, dass sich die großen Wissenslücken bald schließen könnte, sagt Vanessa Piechotta, wissenschaftliche Mitarbeiterin in Skoetz‘ Arbeitsgruppe und ebenfalls Koautorin der Review.
„Die Forschung auf diesem Gebiet läuft auf Hochtouren. Wir haben etwa 50 laufende Studien identifiziert, von denen 22 randomisierte Studien mit hoher Aussagekraft sind. 16 dieser Studien sollen noch im Laufe dieses Jahres abgeschlossen sein. Deshalb werden wir unsere Übersichtsarbeit als sogenannten ‚Living Systematic Review’ fortan monatlich aktualisieren, damit sie stets die aktuellste verfügbare Evidenz widerspiegelt.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Cochrane Deutschland Stiftung (CDS).
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