Vor wenigen Tagen wurden die ersten Ergebnisse einer klinischen Phase-1-Studie eines COVID-19-Impfstoffs in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht. Die Autoren der Studie, die in The Lancet erschienen ist, sprechen von einem Meilenstein. Was ist dran?
Bei dem Impfstoff handelt es sich um einen sogenannten viralen Vektorimpfstoff. Dabei dient ein abgeschwächtes menschliches Erkältungsvirus, das Adenovirus 5 (Ad5), als Grundgerüst, das genetisches Material von SARS-CoV-2 enthält. Die Autoren berichten in ihrer Studie, dass der Impfstoff an 108 gesunden Personen getestet und als sicher und gut verträglich eingestuft wurde.
Die Impfung löste einen vierfachen Anstieg an RBD-spezifischen Antikörpern bei 94 bis 100 Prozent der Teilnehmer und einen vierfachen Anstieg der neutralisierenden Antikörper bei 50 bis 75 Prozent aus. Die stärkste Immunantwort wurde mit der höchsten Impfdosis erzielt, diese zeigte sich jedoch auch etwas reaktiver bei den Nebenwirkungen.
Andere Wissenschaftler sind angesichts der Ergebnisse noch skeptisch. Problematisch sei, dass viele Menschen schon mit dem Erkältungsvirus Ad5 infiziert waren. „Dies ist definitiv eines der Probleme bei der Verwendung von vektorbasierten Impfstoffen, gegen die Menschen möglicherweise bereits eine vorher bestehende Immunität haben“, kommentiert Michael Mina die Studie gegenüber STAT News. Er ist Epidemiologe für Infektionskrankheiten an der T.H. Chan School of Public Health in Harvard. „Wenn Sie bereits mit einem Virus infiziert waren oder eine bereits bestehende Immunität dagegen besitzen, laufen Sie Gefahr, dass Ihre Immunantwort verzerrt wird.“ Das Immunsystem konzentriere sich dann nicht so sehr auf den neuen Aspekt, was in diesem Fall Coronavirus-Proteine wären, erklärt er weiter.
Dieses Problem ist bekannt. Deswegen haben sich in den letzten Jahren immer mehr Forschergruppen von der Entwickung eines Impfstoffs, der auf Ad5 als Vektor basiert, verabschiedet. Auch in der jetzt vorliegenden Studie zeigte sich, dass diejenigen Probanden mit hohen Antikörper-Titern gegen Ad5 eine schwächere Immunreaktion gegen SARS-CoV-2 aufwiesen. Das war bei rund der Hälfte der Probanden der Fall. Gary Kobinger, Direktor des Infectious Disease Research Center an der Laval University in Quebec, ist von diesen Ergebnissen nicht überrascht. “Das war die Annahme und sie [die Forscher] haben gezeigt, dass die Annahme korrekt ist", wird er in STAT News zitiert. Er geht nicht davon aus, dass der Impfstoff Erfolg haben wird.
Selbst bei Probanden, die schon vor der Impfung immun gegen das Adenovirus waren, nahm die Zahl an Antikörpern gegen Ad5 nochmals zu. Das deutet darauf hin, dass die Impfung bei diesen Personen eher zu einer gesteigerten Ad5-Immunität als zu einer SARS-CoV-2-Immunität führt.
Kathryn Edwards, wissenschaftliche Direktorin des Vanderbilt Vaccine Research Program in Nashville, Tennessee, macht aber darauf aufmerksam, dass man noch gar nicht weiß, welche Antikörper-Level nötig sind, um eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu verhindern. „Vielleicht ist dieses Niveau an Antiköpern ausreichend? Ich weiß es nicht“, erklärt sie. „Ich denke, es ist vernünftig, sich das anzusehen und zu sehen, was es bewirkt. Es handelt sich schließlich nur um eine Phase-1-Studie.“ Eine Phase-2-Studie mit dem Impfstoff ist in China bereits gestartet.
Bildquelle: Ben Karpinski, unsplash