Die WHO hat klinische Tests mit dem Malariamittel Hydroxychloroquin und Chloroquin zur Behandlung von COVID-19 wegen Sicherheitsbedenken ausgesetzt. Grund dafür war eine in The Lancet erschienene Beobachtunsgstudie mit 96.000 COVID-19-Patienten. Deutsche Studien mit Hydroxychloroquin und Chloroquin sollen ungeachtet dessen weiterlaufen.
Mediziner von der Harvard Medical School und dem Universitätsspital Zürich untersuchen in ihrer Studie die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin und Chloroquin bei COVID-19. Sie griffen dazu auf die „Surgical Outcomes Collaborative“ zu – ein Register, an dem weltweit 671 Kliniken beteiligt sind. Aus diesen Kliniken werden anonymisierte Patientendaten elektronisch an das Register übermittelt und stehen dort für Analysen zur Verfügung. Unter knapp 96.000 COVID-19-Patienten identifizierten sie 14.900, die Hydroxychloroquin oder Chloroquine (teilweise kombiniert mit einem Makrolid) erhalten haben. Sie haben die Krankheitsverläufe mit den etwa 81.000 Personen verglichen, die anders behandelt wurden.
Aus den Daten lässt sich kein Vorteil einer Behandlung ableiten. Insgesamt starben unter einer Behandlung mit Hydroxychloroquin und Chloroquin sogar mehr Personen: Im Vergleich zur Kontrollgruppe waren Hydroxychloroquin (18 %), Hydroxychloroquin plus Makrolid (23,8 %), Chloroquine (16,4 %) und Chloroquine plus Makrolid (22,2 %) jeweils mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko im Krankenhaus assoziiert. Auch neuauftretende Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) kamen deutlich häufiger vor.
„Es handelt sich nicht um die Ergebnisse einer randomisierten Studie“, kommentieren Experten des Science Media Centers die Ergebnisse: „In den Kliniken haben die Ärzte anhand des Krankheitsverlaufs entschieden, welche Personen mit Hydroxychloroquin und Chloroquin behandelt wurden und welche nicht.“ Deshalb müsse man davon ausgehen, dass weitere Faktoren neben der Behandlung die beobachteten Ergebnisse beeinflussen, heißt es weiter. „Die Daten sprechen aber dagegen, dass Hydroxychloroquin und Chloroquin einen Vorteil haben. Die Therapien könnten sogar schaden.“
Die Ergebnisse stützen kürzlich gemachte Beobachtungen, dass bei der Therapie mit Hydroxychloroquin und Chloroquin bei COVID-19-Patienten kardiale Komplikationen auftreten können (wir berichteten).
Die großangelegte SOLIDARITY-Studie wird aufgrund der WHO-Empfehlung nun teilweise vorrübergehend auf Eis gelegt. Dies betrifft den Chloroquin-Arm der Studie, die Testung dreier anderer Therapieoptionen für COVID-19 läuft weiter. Das sind das Virostatikum Remdesivir, die HIV-Kombination Lopinavir/Ritonavir und diese Kombination ergänzt um Beta-Interferon.
Auch in Deutschland wird die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin und Chloroquin bei COVID-19 getestet. Unter der Leitung des Universitätsklinikums Tübingen wird zum Beispiel die COMIHY-Studie durchgeführt, eine bundesweite Untersuchung zur klinischen Wirksamkeit von Hydroxychloroquin bei mildem COVID-19.
Medienberichten zufolge soll diese aber nicht abgebrochen werden: Da bekannt sei, dass das Medikament lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen auslösen kann, wird es in den deutschen Studien Probanden mit Vorerkrankungen nicht verabreicht, erklärt Peter Kremsner von der Uni Tübingen. In der Lancet-Studie sei es aber vielen Patienten „ohne hinzuschauen“ verabreicht worden, was der Pandemie-Situation geschuldet sei. In den deutschen Studien sei bisher kein Überschuss an Mortalität zu verzeichnen.
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