Die – Vorsicht, sperrig – „Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung“ ist diese Woche in Kraft getreten. Was ihr zum MedBVSV, wie wir es nennen, wissen müsst.
Die „Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie“ ist am gestrigen Mittwoch in Kraft getreten (1). Sie wird auch „Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung“ (MedBVSV) genannt, etwas weniger sperrig.
Sie fußt auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (2) und orientiert sich an der Empfehlung der Europäischen Kommission über Konformitätsbewertungs- und Marktüberwachungsverfahren im Kontext der COVID-19-Bedrohung vom 13. März 2020 (3). Es sichert dem Bundesgesundheitsministerium, oder durch vom BMG beauftragte Stellen, zahlreiche Befugnisse bei der zentralen Beschaffung, der Lagerung, der Herstellung und dem Inverkehrbringen von medizinischem Bedarf im Zusammenhang mit der Corona Pandemie.
Als Produkte des medizinischen Bedarfs im Sinne dieser Verordnung werden in §1 Absatz 2 Arzneimittel, deren Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe, Betäubungsmittel der Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes, Medizinprodukte, Labordiagnostika, Hilfsmittel, Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung und Produkte zur Desinfektion genannt.
Um die Aufgabe leichter meistern zu können, sind zahlreiche Ausnahmen von geltendem Arzneimittelrecht geschafften worden. Keine Anwendung finden beispielsweise arzneimittelrechtliche Regelungen zu:
Ausnahmen sind unter anderem vorgesehen von:
Wie bereits bei der Ausnahmeregelung für den kürzlich importierten Pneumokokken-Impfstoff aus Japan (4) können nun im Zuge der MedBVSV Arzneimittel ohne deutschsprachige Kennzeichnung und Packungsbeilage in die Versorgung gebracht werden.
Um die Freigabe von Arzneimitteln ohne deutsche Zulassung zu beschleunigen, kann der jeweilige Hersteller dazu verpflichtet werden, alle Unterlagen, die die für eine Zulassung erforderlichen Angaben zu Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels enthalten, der Bundesoberbehörde zur vorrangigen Prüfung auszuhändigen. Arzneimittel, die nach einer solchen Qualitäts-, Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsprüfung freigegeben werden, können durch einen Arzt oder Apotheker an die Patienten abgegeben werden. Für negative Folgen muss hier weder der Hersteller noch die abgebende Person haften. Dazu heißt es in §3 Absatz 4:
„Abweichend von § 84 AMG unterliegen pharmazeutische Unternehmer, Hersteller und Angehörige von Gesundheitsberufen hinsichtlich der Auswirkungen der Anwendung [der] Produkte nicht der Haftung, wenn diese Produkte durch das Bundesministerium als Reaktion auf die vermutete oder bestätigte Verbreitung des SARS-CoV-2-Erregersin den Verkehr gebracht werden und nach den Gegebenheiten des Einzelfalls die auf Absatz 1 gestützten Abweichungen vom Arzneimittelgesetz geeignet sind, den Schaden zu verursachen.“
Diese Verordnung gilt zeitlich befristet, bis die Notlage durch die Corona- Pandemie offiziell für beendet erklärt wird, spätestens aber zum 31. März 2021. Die ABDA begrüßte die Regelungen des MedBVSV bereits in einer Stellungnahme im April und sieht die Apothekenpflicht als ordnungspolitische Grundregel nicht infrage gestellt (5). Auch die Bundesärztekammer und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft standen in einer gemeinsamen Stellungnahme bereits dem Referentenentwurf zum MedBVSV positiv gegenüber (6).
1: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/M/MedBVSV.pdf
2: https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/IfSG.pdf
3: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=OJ:L:2020:079I:TOC
4: https://www.doccheck.com/de/detail/articles/26456-pneumokokken-impfstoff-die-ausnahmeregel
5: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/abda-sieht-apothekenpflicht-nicht-infrage-gestellt-116944/
6: https://www.akdae.de/Stellungnahmen/BMG/20200409.pdf