Da Pankreaskarzinome im fortgeschrittenen Stadium eine hohe Resistenz entwickeln, wurden nun epigenetische Mechanismen in einen neuen Therapieansatz einbezogen. Sie zeigten im tierexperimentellen Ansatz Wirkung bei Pankreas- sowie Lungenkarzinomen.
Neue Studien zu den genetischen Veränderungen im den Tumorzellen weisen darauf hin, dass nicht nur Mutationen in bekannten Krebsgenen wie zum Beispiel RAS und MYC eine Rolle spielen. Auch epigenetische Faktoren, die Chromosomen und die DNA modifizieren und damit die Aktivität von Genen beeinflussen, ohne dass die DNA-Sequenz verändert wird, werden zunehmend als zentrale Schaltstellen für zahlreiche Tumoreigenschaften auch in Pankreaskarzinomen identifiziert.
Ein Team um Prof. Dr. Jens Siveke untersuchte in ihrer Studie das Protein BRD4 im Zusammenhang mit Pankreaskarzinomen. Es reguliert den Histon-Code von Zellen, der festlegt, welche Bereiche der DNA abgelesen werden. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob BRD4 im Pankreaskarzinom eine Zielstruktur für Therapien darstellt. Sie konnten zunächst zeigen, dass BRD4 im Pankreaskarzinom hochreguliert wird. Anschließend testete das Team, ob eine gegen BRD4 gerichtete Therapie mit dem Wirkstoff JQ1 einen therapeutischen Effekt im Pankreaskarzinom haben kann. Die Forscher verwendeten hierbei sowohl Zellkulturstudien als auch verschiedene tierexperimentelle Modellsysteme. Hierfür wurden Tumore unter anderem mit Bildgebungssystemen nicht-invasiv untersucht. Obwohl sich durch die Therapie mit JQ1 ein Effekt auf das Größenwachstum der Tumore zeigte, war kein deutlicher Überlebenseffekt durch die Therapie nachweisbar.
In einem zweiten Schritt untersuchten die Wissenschaftler, ob die gegen BRD4 gerichtete Therapie möglicherweise mit einer Chemo- oder weiteren zielgerichteten Therapien effektiver kombiniert werden kann. Die Forscher setzten hierfür „drug screens“ ein. Es zeigte sich überraschenderweise, dass die Kombination von JQ1 mit einem weiteren epigenetischen Therapieprinzip – der Verhinderung der Histondeacetylierung durch sogenannte HDAC-Inhibitoren – eine Steigerung des programmierten Zelltods von Tumorzellen verursachte. Wurden beide Substanzklassen nun kombiniert, zeigten sich eine verbesserte Wirksamkeit und ein deutlicher Überlebensvorteil. Da das Pankreaskarzinom fast immer durch eine Mutation im RAS Gen bedingt ist, gegen das bisher keine zielgerichtete Therapie vorhanden ist, stellte sich das Team die Frage, ob diese Therapiekombination auch bei anderen durch das RAS-Gen angetriebenen Tumorarten wirksam sein könnte. Hier zeigte sich eine Aktivität auch gegen RAS-bedingte Lungenkarzinome.
„Es ist zu hoffen, dass diese Ergebnisse dazu beitragen, dieses Therapieprinzip nun schnellstmöglich in klinischen Studien weiter zu evaluieren“, sagt Siveke. „Leider haben wir bisher kaum effektive Mittel gegen fortgeschrittene Stadien der Erkrankung. Im Sinne unserer Patienten ist daher eine schnelle Umsetzung in klinische Studien und ein besseres Verständnis der Wirkmechanismen für noch zielgenauere Therapien unsere zentrale Aufgabe.“ Hierfür wollen die Wissenschaftler unter anderem weitere Verbesserungen an den Substanzen für eine größere Genauigkeit bei der Hemmung der Proteine und die Verringerung von Nebenwirkungen erreichen. Des Weiteren planen die Forscher, durch sogenannte Biomarker diejenigen Patienten besser zu identifizieren, die von einer derartigen Therapie profitieren. Hierzu konnten die Autoren in der Arbeit mit einer neuen, auf der sogenannten CRISPR Technologie basierenden Methode bereits erste Kandidaten wie das Apoptose-Gen p57 identifizieren. Originalpublikation: Combined inhibition of BET family proteins and histone deacetylases as a potential epigenetics-based therapy for pancreatic ductal adenocarcinoma Pawel K. Mazur et al.; Nature Medicine, doi:10.1038/nm.3952; 2015