Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte klinische Studien mit dem Wirkstoff Chloroquin wegen Sicherheitsbedenken vorrübergehend ausgesetzt. Der Grund dafür war eine Lancet-Studie, in denen Kardiologen ein erhöhtes Mortalitätsrisiko für einige COVID-19-Patienten feststellten, die mit Chloroquin behandelt wurden. Jetzt kritisieren zahlreiche Wissenschaftler die Studie in einem offenen Brief.
Die Relevanz der Ergebnisse war schon seit Erscheinen der Studie von einigen Ärzten und Wissenschaftlern angezweifelt worden. So äußerte sich Peter Kremsner vom Universitätsklinikum Tübingen kritisch über die Studie (wir berichteten). Er leitet eine von zwei Chloroquin-Studien mit COVID-19-Patienten in Deutschland.
Da bekannt sei, dass das Medikament lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen auslösen kann, wird es in den deutschen Studien Probanden mit Vorerkrankungen nicht verabreicht, erklärt Kremsner. In der Lancet-Studie sei es aber vielen Patienten „ohne hinzuschauen“ verabreicht worden, was der Pandemie-Situation geschuldet sei. Zwar wird laut Medienberichten jetzt auch die deutsche Studie unterbrochen, doch Kremsner geht weiterhin davon aus, dass die Sorgen um Nebenwirkungen übertrieben sind.
Jetzt haben sich 120 Wissenschaftler und Mediziner in einem offenen Brief an das Journal The Lancet gewandt. Sie äußern darin ihre Bedenken bezüglich der Qualität der Daten und Analysen in der Studie. Neben der Methodik kritisieren sie in dem Brief, dass sich die Studien-Autoren weigern, die Daten anderen Forschern zur Verfügung zu stellen. Auch sei nicht bekannt, aus welchen Ländern und Krankenhäusern die Daten kommen.
Die Unterzeichner befürchten, dass die Lancet-Studie und die anschließende Berichterstattung Patienten davon abhält, an klinischen Studien teilzunehmen. Das würde es noch schwerer machen, herauszufinden, ob Chloroquin gegen COVID-19 eingesetzt werden könnte.
Bei der Lancet-Studie handelte es sich um eine Beobachtungsstudie, die die Wirkungen von Chloroquin bei etwa 96.000 hospitalisierten COVID-19-Patienten analysierte. Die Studie ergab, dass das Medikament keinen Nutzen brachte. Stattdessen hielt sie eine beunruhigend erhöhte Sterblichkeitsrate unter den Patienten, die den Wirsktoff erhielten, fest: 18 % verglichen mit 9 % bei denjenigen, die das Medikament nicht erhielten.
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Bildquelle: Philippe Bout, unsplash