Einer Befragung zufolge lehnen mehr als die Hälfte der Mitglieder der DGP einen ärztlich assistierten Suizid ab. Sie sehen die Lösung in einem verbesserten Netz der Hospiz- und Palliativversorgung, doch diese wird von aktuell rund 90 Prozent als unzureichend empfunden.
„Eine Normalisierung des ärztlich assistierten Suizids wäre ebenso der falsche Weg wie dessen strafrechtliches Verbot“, warnt Prof. Dr. Lukas Radbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), mit Blick auf die Anhörung zur Sterbebegleitung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages. Dabei stützt sich Radbruch auf erste Ergebnisse einer aktuellen Befragung unter Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, in der 1.836 Ärzte, Pflegende und Vertreter weiterer Berufsgruppen umfassend Auskunft zu ihren täglichen Erfahrungen in der Versorgung schwerstkranker Menschen und zu ihrer Einstellung zu Suizidassistenz und Sterbebegleitung gegeben haben. 56 Prozent der befragten Ärzte lehnen eine eigene Beteiligung am ärztlich assistierten Suizid grundsätzlich ab. Nur 21 Prozent aller befragten Berufsgruppen sehen die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Änderung, wohingegen ein Verbot der organisierten („geschäftsmäßigen“) Sterbehilfe von 56 Prozent befürwortet wird.
Drei Viertel der antwortenden Ärzte berichteten im Rahmen der Online-Befragung, sie seien im Verlauf der vergangenen fünf Jahre ihrer ärztlichen Tätigkeit von durchschnittlich zehn Patienten um Suizidassistenz gebeten worden. Gleichzeitig unterstrich eine große Mehrheit der Befragten, dass schwerkranke Menschen, die den Wunsch nach Suizidhilfe äußern, nicht zwingend den sofortigen eigenen Tod wünschen, sondern oftmals das Ende einer unerträglichen Situation. „Zur Entlastung sei das Gespräch über den Sterbewunsch wesentlich, darin waren sich die Befragten einig“, wie Prof. Dr. Friedemann Nauck betonte. Ein Sterbewunsch sei nicht absolut und ausschließlich, so schätzen es 94 Prozent ein, sondern häufig Ausdruck einer Ambivalenz, selbst wenn der Wunsch nach ärztlich assistiertem Suizid in Einzelfällen nachvollziehbar sei. Dem entspricht, dass 47 der 1836 Antwortenden, davon 28 Ärzte, angaben, während ihrer gesamten Tätigkeit mindestens einem Menschen Beihilfe zum Suizid geleistet zu haben. Allerdings wird sehr Unterschiedliches hierunter verstanden - von der Beratung über mögliche Angebote bis hin zur Bereitstellung von Substanzen. Der Wunsch nach einer Suizidbeihilfe kann jedoch nicht losgelöst vom jeweils vorhandenen Hospiz- und Palliativangebot betrachtet werden, wie Radbruch hervorhob: Zwei Drittel der Befragten bejahten folgende Äußerung: „Bei einem flächendeckenden, bedarfsgerechten palliativmedizinischen Angebot würden weniger Menschen den Wunsch nach ärztlicher Hilfe bei der Selbsttötung äußern.“ Dieser Aussage steht ein klares Statement zum Istzustand gegenüber: Nur vier Prozent halten die vorhandenen palliativmedizinischen Kapazitäten für ausreichend.
Deshalb begrüßt die DGP den vorliegenden Entwurf für ein Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer flächendeckenden und qualitätsgesicherten Hospiz- und Palliativversorgung, unterstrich Prof. Dr. Maria Wasner, Vizepräsidentin der DGP, nur so könne „ein Sterben erster und zweiter Klasse in Abhängigkeit von Wohnort, Erkrankung oder Alter“ vermieden werden. In einer aktuellen Stellungnahme zum HPG hat die DGP notwendige gesetzgeberische Einsatzfelder benannt, um eine qualitativ hochwertige Palliativversorgung auch in der Regelversorgung zu etablieren und zu finanzieren. „Schwerstkranke und sterbende Menschen brauchen nicht nur auf den Palliativstationen, sondern auch auf den Allgemeinstationen eines Krankenhauses oder in Alten- und Pflegeheimen kompetente palliativmedizinische Versorgung und Begleitung durch ein multiprofessionelles Team.“ Die Deutsche Krebshilfe hat den Weg für den Auf- und Ausbau der Palliativmedizin in Deutschland von Anfang an geebnet und begleitet. Die erste Palliativstation am Universitätsklinikum Köln wurde bereits 1983 von der gemeinnützigen Organisation finanziert. Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe, betonte: „Bis heute haben wir insgesamt mehr als 70 Millionen Euro in den Aufbau palliativmedizinischer Versorgungsstrukturen, Stiftungsprofessuren, in Forschungsprojekte mit palliativmedizinischen Inhalten sowie in Akademien für die palliativmedizinische Fort- und Weiterbildung investiert. Das in Planung befindliche Hospiz- und Palliativgesetz könnte nun zu einer flächendeckenden und qualitätsgesicherten palliativmedizinischen Versorgung beitragen.“
„Ein schwerkranker Mensch braucht ein Netz mit qualifizierten Personen seines Vertrauens, das ihn und seine An- und Zugehörigen auch in schwierigen Momenten auffängt, trägt und hält“, erklärte Nauck abschließend, und dieses Netz müsse über Einrichtungen der ambulanten und stationären, allgemeinen wie spezialisierten Hospiz- und Palliativversorgung gespannt werden.