Vier Gene beeinflussen bei übergewichtigen Mäusen in Abhängigkeit der Kohlenhydratzufuhr die Teilungsfähigkeit der insulinproduzierenden Beta-Zellen. Alle vier Gene befinden sich auf Chromosom 1, das schon in früheren Humanstudien mit Diabetes in Verbindung gebracht wurde.
Um mehr über die molekularen Mechanismen zu erfahren, die beim Vorliegen einer Insulinresistenz für die Teilungsfähigkeit der insulinproduzierenden Zellen entscheidend sind, sowie die Gene zu identifizieren, die hierfür eine Rolle spielen, verglichen die Wissenschaftler die physiologischen Veränderungen und Genaktivitäten der Beta-Zellen von zwei verschiedenen Mausstämmen in vivo und in vitro. Sowohl die New-Zealand obese (NZO)-Maus als auch die B6-ob/ob-Maus haben einen natürlichen Hang zu Übergewicht, wobei jedoch nur der Stamm der NZO-Maus anfällig für Diabetes ist. Ein Phänomen, das sich auch am Menschen beobachten lässt, denn nicht jeder übergewichtige Mensch ist gleichsam für die Krankheit empfänglich.
Die Tiere erhielten bis zu einem Alter von 18 Wochen eine fettreiche, aber kohlenhydratfreie Kost, wodurch beide Mausstämme kräftig an Gewicht zunahmen. Ihre Blutzuckerspiegel erhöhten sich während dieser Zeit nicht. Bekamen die Mäuse dann auch Kohlenhydrate zu fressen, stieg schon nach wenigen Tagen der Blutzuckerspiegel in der für Diabetes anfälligen NZO-Maus merklich an. Zudem führte das kohlenhydrathaltige Futter bei diesen Tieren zu einem Absterben der Beta-Zellen durch Apoptose. Die Beta-Zellen des anderen Mausstamms waren dagegen nicht nur vor dem Absterben geschützt, ihre Zahl nahm sogar auch noch weiter zu. Die hiermit verbundene gesteigerte Insulinproduktion normalisierte die am Anfang auch noch bei diesen Tieren erhöhten Blutzuckerspiegel, so dass die Tiere nicht an Diabetes erkrankten. Inselzellen der Maus, die das Gen Lefty1 überexprimieren (grün). Die Zellkerne der sich nicht teilenden Zellen sind blau. Die der sich teilenden Zellen sind pink. Maßstab: 50 Mikrometer. © DIfE „Wie unsere Daten annehmen lassen, ist die unterschiedliche Reaktion der Beta-Zellen auf vier Gene zurückzuführen. Untersuchungen an isolierten Beta-Zellen machen deutlich, dass eine erhöhte Aktivität der Gene Lefty1, ApoA2 und Pcp4l1 die Zellteilung stimuliert und letztendlich die B6-ob/ob-Mäuse vor Diabetes schützt. Dagegen bewirkt eine gesteigerte Genaktivität von Ifi202b bei den NZO-Mäusen das Gegenteil“, erklärt Biochemiker und Erstautor Oliver Kluth vom DIfE.
„Auch beim Menschen spielt zumindest ein Teil der von uns identifizierten Gene anscheinend eine Rolle für Diabetes. Wie Humanstudien unserer Kooperationspartner zeigen, waren zwei verschiedene Varianten des menschlichen Gens für Lefty1 mit einer veränderten Insulinfreisetzung assoziiert“, ergänzt Studienleiterin Annette Schürmann. „Zudem beobachteten Forscher an Studienteilnehmern in Utah einen Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Varianten des menschlichen APOA2-Gens“, so die Wissenschaftlerin weiter. Inselzellen der Maus, die das Gen Ifi202b überexprimieren (grün). Die Zellkerne der sich nicht teilenden Zellen sind blau. Die der sich teilenden Zellen sind pink. Maßstab: 50 Mikrometer. © DIfE „Gene zu identifizieren, die sowohl bei der Maus als auch beim Menschen eine Rolle spielen, ist von entscheidendem Vorteil“, sagt Kluth. Denn so könne man die Genfunktionen und die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen der Glucotoxizität und Diabetesentstehung am Modellsystem der Maus detailliert unter kontrollierten Bedingungen erforschen. Am Menschen seien solche Studien oft aus ethischen sowie auch aus praktischen Gründen nicht möglich. Originalpublikation: Identification of Four Mouse Diabetes Candidate Genes Altering β-Cell Proliferation Oliver Kluth et al.; PLOS Genetics, doi: 10.1371/journal.pgen.1005506; 2015