Zwei renommierte Journals haben nach massiver Kritik zwei Paper zurückgezogen. Die Studien-Daten stammten von einem höchst unseriösen Unternehmen. Zwei Stichworte: Science-Fiction-Autor und Pornomodel.
Science spricht vom ersten großen Forschungsskandal der Corona-Ära: Die zwei Journals The Lancet und New England Journal of Medicine (NEJM) haben gestern zwei erst vor Kurzem erschienene Paper nach massiver Kritik zurückgezogen. Das ist höchst ungewöhnlich, da es normalerweise intensive und lange Untersuchungen braucht, bis ein Journal ein Paper für nichtig erklärt. Selten ist auch, dass die Journals selbst den Schritt initiierten und sich nur ein Teil der Autoren dazu bereit erklärte.
In den Studien wurde zum einen die Wirkung von ACE-Hemmern und Sartanen (erschienen in NEJM) und zum anderen von Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin (Lancet) bei COVID-19-Patienten untersucht. Insbesondere die Lancet-Studie sorgte für Aufsehen. Wegen der Ergebnisse hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) klinische Tests mit Chloroquin vorrübergehend auf Eis gelegt.
In beiden Studien taucht neben Mandeep R. Mehra, Kardiologe an der Harvard Medical School in Boston, auch Sapan S. Desai in der Autorenliste auf. Desai ist CEO des US-Unternehmens Surgisphere – von dieser Firma stammen die zugrundeliegenden Daten der beiden Studien. Zahlreiche Wissenschaftler kritisierten, dass das Unternehmen seine Daten für unabhängige Überprüfungen nicht herausgibt.
NEJM veröffentlichte ein kurzes Statement der Autoren, darunter Mehra, Patel, and Desai über den Grund des Rückzugs der Studie: „Da nicht allen Autoren Zugang zu den Rohdaten gewährt wurde und die Rohdaten nicht einem externen Prüfer zur Verfügung gestellt werden konnten, sind wir nicht in der Lage, die primären Datenquellen, die unserem Artikel zugrunde liegen, zu validieren“, heißt es darin entschuldigend. Bemerkenswert ist, dass auch Surgisphere-CEO Desai im Statement einbezogen wird. Das suggeriert laut Science, dass er selbst keinen Zugang zu den von seiner eigenen Firma generierten Rohdaten hat.
Wer genau hinter der Firma steckt, hat sich die britische Zeitung The Guardian angeschaut und Skandalöses zu Tage befördert: So soll das Unternehmen, das sich auf die Datenanalyse im US-amerikanischen Gesundheitswesen spezialisiert hat, gerade einmal sechs Mitarbeiter mit nur wenig oder gar keinem wissenschaftlichem Hintergrund beschäftigen. Darunter ein Science-Fiction-Autor und ein Model aus der Pornobranche.
Auch Desai kommt bei der Recherche schlecht weg: Laut Guardian war der Gefäßchirurg in mindestens drei Kunstfehlerprozesse involviert. Dass Mediziner von der renommierten Harvard Medical School auf Daten einer offenbar höchst unseriösen Firma zurückgegriffen haben, ist kaum zu glauben.
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