In einem Artikel machen Pneumologen und Intensivmediziner auf die psychischen Folgen schwerer Atemnot bei beatmungspflichtigen Patienten aufmerksam. Gerade in der jetzigen COVID-19-Pandemie mit vielen beatmeten Patienten sei es wichtig, das Problem zu thematisieren.
Das Gefühl schwerer Dyspnoe, also mit jedem Atemzug zu wenig Luft zu bekommen, wird auch als „Lufthunger“ (engl. air hunger) bezeichnet. Ärzte erkennen dies ohne die subjektive Beschreibung des Patienten oft an einer flachen, schnellen oder besonders tiefen Atmung. Davon betroffen sind laut der Autoren fast 90 % der schwer erkrankten COVID-19-Patienten mit ARDS, bevor sie intubiert und maschinell beatmet werden müssen.
Bei der Beatmung selbst will man verhindern, dass die Lunge durch zu hohen Druck geschädigt wird. Für die lungenprotektive Beatmung setzten Mediziner daher auf niedrige Tidalvolumina und permissive Hyperkapnie. Doch das ist laut Richard Schwartzstein, Pneumologe von der Harvard Medical School und Hauptautor der Studie, das Rezept für die „unangenehmste Form der Dyspnoe“.
Das Gefühl, atmen zu wollen, aber aufgrund der Beatmung nicht atmen zu können, „ruft Angst und Furcht hervor“, schreiben die Autoren in ihrer Studie. Unfreiwilliger „Lufthunger“ stelle nicht ohne Grund eine sehr wirksame Form der Folter (z. B. Waterboarding) dar. „Bei Überlebenden der Intensivstation wird die Erfahrung von Lufthunger mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) in Verbindung gebracht“, heißt es weiter.
Das Team um Schwartzstein weist in der Veröffentlichung auf den Irrglauben hin, dass Paralyse sowie Sedierung die Atemnot verringern. Infolgedessen würden Patienten häufig mit Muskelrelaxantien behandelt, um die Beatmung zu erleichtern. Obwohl viele Intensivmediziner inzwischen von der Gabe neuromuskulär blockierender Wirkstoffe bei der Beatmung absehen, beobachtete Schwarzstein, dass in einigen Kohorten knapp 40 % der Patienten dennoch mit Muskelrelaxantien behandelt wurden. Auch viele Sedativa, die im Rahmen der Beatmungstherapie benutzt werden, würden das Gefühl der Atemnot nicht ausreichend lindern.
Doch laut Schwartzstein gibt es eine einfache Lösung, die auf Intensivstationen zu selten genutzt würde. Er plädiert bei diesen Patienten für den Einsatz von Opioiden. Benzodiazepine und Propofol hingegen würden die Beschwerden nicht ausreichend lindern. „Opioide sind das zuverlässigste Mittel zur symptomatischen Linderung von Lufthunger“, schreibt das Team in dem Artikel. Das sei sowohl auf eine Depression des Atemantriebs als auch auf die schmerzlindernden Eigenschaften zurückzuführen.
Die Sorge um ein längerfristiges Suchtpotenzial sollte Ärzte nicht vom Opioid-Einsatz abhalten, erklärt Intensivmediziner Robert Dickson von der University of Michigan School of Medicine. „Dies sind starke Medikamente, die wir mit Bedacht und in einer sicheren Umgebung einsetzen“, sagt Dickson. „Ich würde nicht zulassen, dass die Sorge um eine langfristige Abhängigkeit uns davon abhält, sie bei schwerkranken Patienten einzusetzen“.
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