Wieso können faserige Netzstrukturen der Mitochondrien wesentlich mehr Energie produzieren als kleinere Fragmente? Ein mathematisches Modell erklärt, dass sich die Mitochondrien erst beschreiben lassen, wenn ihre wirren Bewegungen entlang der Mikrotubuli erfasst werden.
Mit einem mathematischen Modell haben System-Biologen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung beschrieben, welche Mechanismen an der Bildung und Aufrechterhaltung der dynamischen Mitochondrien-Netzwerke in Zellen beteiligt sind. Eine Besonderheit der Mitochondrien ist ihr ausgeprägtes dynamisches Verhalten innerhalb der Zelle. Sie bilden ein Netzwerk, welches sich im Minutentakt verändert, da sich die Mitochondrien teilen und wieder miteinander fusionieren. Ihre räumliche Struktur beeinflusst dabei maßgeblich, wie effektiv sie Energie bereitstellen können: Faserige Netzstrukturen produzieren viel Energie, kleinere Fragmente sind weniger effektiv. „Auch bei der Zellalterung spielen solche Prozesse eine Rolle. Gestresste oder geschädigte Mitochondrien werden fragmentiert und anschließend entsorgt“, sagt Valerii Sukhorukov, Erstautor der Studie.
Wie entsteht aber die dynamische Balance zwischen den kleinen Fragmenten und den effektiven Fasern der Mitochondrien? Dazu entwickelten die Wissenschaftler ein mathematisches Modell, welches sich auf die unterschiedlichen Längen der Mitochondrien-Fragmente in linearer oder verzweigter Anordnung stützte. Das zentrale Resultat der Untersuchung ist, dass eine exakte Beschreibung der Mitochondrien in der Zelle erst durch die Berücksichtigung der zufälligen Bewegung der Mitochondrien entlang der Mikrotubuli möglich wurde. Daraus entstand ein sogenanntes Graphenmodell, das auf der Dichte der Mikrotubuli und ihrer Überkreuzungen in der Zelle beruht. Es beschreibt alle bisher experimentell gefundenen Formen von Mitochondrien und liefert auch Erklärungen für bisher unverstandene Ereignisse. Das Zellskelett (graue Linien) beeinflusst die Fusion der Mitochondrien.Es teilt sie in faserige Netzstrukturen (blau) und kleinere Fragmente (rot) und formt so deren Netzwerk. © HZI / Sukhorukov Sukhorukov und seine Kollegen möchten in Zukunft das mathematische Modell verwenden, um die Qualitätskontrolle der fragmentierten Mitochondrien zu analysieren, und zu verstehen, wie die Zellen Schäden in Mitochondrien kontrollieren oder beseitigen. „Dies wäre sehr wichtig, um zu verstehen, wie Zellen ihren Energiehaushalt trotz einer Ansammlung von Schäden mit dem Alter kontrollieren. Daraus könnten wir Rückschlüsse über bestimmte genetisch bedingte Krankheiten wie Parkinson und über Alterungsprozesse im Immunsystem ziehen“, so Sukhorukov. Originalpublikation: Structural Heterogeneity of the Mitochondria Induced by the Microtubule Cytoskleleton. Valerii Sukhorukov et al.; Scientific Reports, doi: 10.1038/srep13924; 2015