Wirksame Medikamente gegen die Alzheimer-Krankheit gibt es nicht. Vorbeugende Maßnahmen könnten helfen, doch die Evidenz fehlt.
Die Alzheimer-Erkrankung betrifft schon jetzt fast 50 Millionen Menschen weltweit, Tendenz steigend. Wissenschaftler suchen bisher vergeblich nach einem Medikament, das die Ursachen bekämpft – was auch daran liegt, dass niemand so genau weiß, wie diese Krankheit entsteht und wie sie sich im Gehirn ausbreitet. Zwar sind charakteristische Veränderungen, zum Beispiel Ablagerungen in Form von Plaques und Fibrillen im Gehirn, bekannt. Doch manche Menschen entwickeln trotz dieser Ablagerungen keine Symptome.
Symptome wiederum lassen sich zumindest mit Medikamenten behandeln. In Europa sind derzeit vier Wirkstoffe zugelassen, die auf unterschiedliche Weise wirken, allerdings nicht sehr effektiv. Seit fast 20 Jahren wurde kein neues Medikament zugelassen. Was Hoffnung macht: Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass verschiedene Maßnahmen die Erkrankung verhindern oder zumindest verzögern können.
Viele Faktoren spielen bei der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit eine Rolle. Die wichtigste Rolle spielt das Alter: Zumeist treten die Symptome nach dem 65. Lebensjahr auf, das Risiko nimmt mit dem Lebensalter stark zu.
Am Alter lässt sich nicht rütteln, an anderen Faktoren aber schon: Gehör, Bildung, sportliche Aktivität, Diabetes, Hypertonie, Übergewicht, Rauchen, Depressionen und sozialer Kontakt. Eine Analyse von 2017 errechnete, dass wir über ein Drittel der Alzheimer-Fälle verhindern könnten, wenn wir all diese Risikofaktoren eliminieren. Was nicht umsetzbar ist, wie die Autoren selbst betonen. Dennoch scheint ein gesundes Leben mit ausreichender Aktivität und geistiger Anregung das Erkrankungsrisiko zu senken. Die Studien, ebenso wie ihre Interpretationen, weisen allerdings einige Schwierigkeiten auf.
Zunächst einmal handelt es sich zu einem Großteil um epidemiologische Studien, bei denen etwa Mitglieder einer Gesellschaft über Monate bis Jahre untersucht oder befragt werden. Daraus ergeben sich Zahlen wie das Erkrankungsrisiko. Diese Werte sagen im Einzelfall wenig aus: Hat jemand zum Beispiel eine gute Bildung genossen und dadurch statistisch ein geringeres Alzheimer-Risiko, ist diese Person dennoch nicht immun dagegen. „Der Gesellschaft oder den Patienten solche Wahrscheinlichkeiten und Studien gut zu erklären, ist eine große Herausforderung für Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen“, sagt Prof. Lutz Frölich, Leiter der Gerontopsychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.
Die Forscher wissen zudem nicht, wer an Alzheimer erkranken wird. So können sie schwer einschätzen: Hat eine Maßnahme geholfen, oder wären die Testpersonen ohnehin gesund geblieben?
Außerdem stehen die verschiedenen Faktoren nicht allein, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Wer bereits Schwierigkeiten mit dem Gehör hat, trifft sich seltener mit Freunden. Fehlt der soziale Kontakt, kann das Depressionen auslösen. Rauchen wiederum beeinflusst den Blutdruck. So lassen sich einzelne Faktoren schwer untersuchen. Außerdem können etwa Depressionen nicht nur die Entwicklung von Alzheimer bedingen, sondern bereits erste Symptome der Erkrankung sein.
So ist es nicht verwunderlich, dass manche Studien den präventiven Maßnahmen mehr Gewicht zuweisen als andere. Dass all diese Faktoren die Entstehung der Alzheimer-Krankheit fördern, ist recht eindeutig. Ob gesünder zu leben allerdings ein sicherer Weg zur Prävention ist, bleibt unklar. Auch an weiteren Zusammenhängen wird geforscht, zum Beispiel zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.
Die Frage nach dem Nutzen für Betroffene bringt uns zu einem weiteren großen Dilemma: Wenn sich die ersten Symptome bemerkbar machen, ist es möglicherweise schon zu spät für die Vorbeugung. „Patient*innen mit Gedächtnisproblemen fragen oft, was sie selbst dagegen tun können“, so Frölich. Dann sei die Motivation hoch, den Lebensstil zu ändern – doch eigentlich müsse man damit schon 20 Jahre früher anfangen. Zu einem Zeitpunkt nämlich, an dem Alzheimer noch kein Thema ist.
Ob Interventionen auch im frühen Alzheimer-Stadium helfen, ist nicht sicher. Eine 2015 veröffentlichte finnische Studie legt immerhin nahe, dass bei über 60-Jährigen eine Kombination dazu beitragen kann, die geistigen Fähigkeiten zu erhalten oder gar verbessern: gesundes Essen, viel Sport, Gehirntraining und Überwachung der Gefäße.
Zudem arbeiten Forschergruppen an Tests, welche die Alzheimer-Krankheit frühzeitig und möglichst wenig invasiv erkennen können. Prof. Richard Dodel, Leiter des Lehrstuhls für Geriatrie an der Universität Duisburg-Essen und Demenz-Experte der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), rechnet damit, dass in zwei bis drei Jahren ein Bluttest auf den Markt kommt. Dieser könnte dann zur Sicherung der Diagnose eingesetzt werden. Bis dahin sei allerdings weitere Forschung nötig, noch gebe es einige offene Fragen.
Frölich sieht die Bluttests kritisch: „Die Tests gehören in die Hände von Spezialist*innen, die nach der Diagnose auch Hilfe anbieten können – etwa eine engmaschigere Überwachung oder Chancen auf die Teilnahme an einer klinischen Studie.“ Um Präventionen eine Chance zu geben, müssten Ärzte jedoch schon Menschen im mittleren Alter testen, und das sei ethisch sehr bedenklich. „Solange wir keine wirksamen Medikamente zur Hand haben und nicht einmal sicher sagen können, ob oder wann die Krankheit ausbrechen wird, würden die meisten klinischen Forscher so ein Screening nicht unterstützen“, so Frölich. Er könne den Menschen schließlich auch ohne Test raten, gesund zu leben.
Untersucht wird der Zusammenhang von Lebenswandel und Alzheimer-Erkrankungen weiter. In der Fachzeitschrift Neurology veröffentlichten amerikanische Wissenschaftler im Juni eine Studie, in der sie Daten von fast 3.000 älteren Menschen auswerteten. Dabei analysierten sie Ernährung, sportliche Aktivität, Alkoholkonsum, geistige Betätigung und ob die Personen rauchten.
In dem untersuchten Zeitraum von sechs Jahren entwickelten etwa 600 Menschen eine Alzheimer-Demenz. Das Risiko war am höchsten für diejenigen, die in allen Punkten ungesund lebten. Zwei bis drei gesunde Gewohnheiten verringerte das Risiko bereits um 37 Prozent, und bei vollkommen gesunder Lebensweise (vier oder fünf Kategorien) sank das Risiko einer Erkrankung um 60 Prozent.
Auch in dieser Veröffentlichung geht es nur um Korrelationen und das Erkrankungsrisiko. Trotzdem zeigt sich ein deutlicher Trend, der glücklicherweise mit der allgemeinen Empfehlung eines gesunden Lebens in Einklang ist. Vielleicht können zukünftige Studien mehr über die Mechanismen der Alzheimer-Krankheit und wirksame Interventionen herausfinden.
Bildquelle: Paweł Czerwiński, Unsplash