Bestimmte Erkrankungen verändern den Körper- und Atemgeruch. Für Menschen ist diese Veränderung nur selten wahrnehmbar. Für Hunde und Elektronische Nasen schon: Sie erkennen Krebs und Parkinson am Geruch des Patienten und könnten die Diagnostik erleichtern.
Kann eine Hundenase tatsächlich das Gleiche leisten wie hochmoderne Labordiagnostik? Ja, glaubt Helga Schmetzer, Professorin für experimentelle Hämatologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie forscht auf dem Gebiet der Geruchserkennung von Tumorerkrankungen. Schmetzer betreut Versuchsreihen, in denen Hunde Lungenkrebspatienten anhand deren Atemproben erkennen sollen. Wie in den meisten bisherigen Versuchen dieser Art gelingt das recht gut. Aber wie ist das möglich? „Die Hunde erkennen nicht direkt, dass jemand krank ist“, sagt Schmetzer. „Vielmehr erkennen sie ein Geruchsmuster wieder, auf das sie zuvor in einem Training geprägt wurden.“ Zwar gibt es einen Bericht aus dem Jahr 2001, wonach ein Labrador seine Halterin wiederholt in die Hüfte gezwickt haben soll und später genau dort ein Basalzellkarzinom gefunden wurde. Es dürfte sich aber bei solchen Vorgängen um Einzelfälle handeln. In Schmetzers Versuchsreihen wird den Hunden zunächst beigebracht, wie der Atem von Lungenkrebspatienten riecht. Dann erkennen sie den Geruch zuverlässig wieder. Typischer Tumorgeruch Wie der typische, für Menschen normalerweise nicht wahrnehmbare, Tumorgeruch entsteht, dazu gibt es eine Theorie: „Während des Tumorwachstums sterben Zellen ab, oder sie produzieren lösliche oder an der Zelloberfläche „ausgehängte“ Moleküle. Es entstehen Zerfallsprodukte und alle möglichen Substanzen gelangen in die Blutbahn. Einige davon werden abgeatmet und ergeben ein charakteristisches Geruchsprofil in der Atemluft, das die Hunde erkennen‟, erklärt Schmetzer. Um welche organischen Duftmoleküle es sich im Einzelnen handelt, wisse man dabei noch nicht genau. Aber es gebe offenbar Komponenten in der Atemluft, die typisch für Tumoren sind. Helga Schmetzer © privat Bei anderen Krankheiten verändert sich der gesamte Körpergeruch. So geht man bei Parkinson-Erkrankten davon aus, dass sich die Talgproduktion der Haut verändert. Erkennen können das offenbar nicht nur Hunde: Die Schottin Joy Milne, eine ehemalige Krankenschwester, wurde dadurch bekannt, dass sie an den T-Shirts Erkrankter einen typischen Geruch erkennen konnte, selbst in noch frühem Krankheitsstadium. Milnes Mann war ebenfalls an Parkinson erkrankt und ist mittlerweile verstorben. Jahre vor Ausbruch der Krankheit hatte Milne auch bei ihm den veränderten Geruch wahrgenommen – damals noch, ohne ihn sich erklären zu können. Heute unterstützt sie Forscher bei der Entwicklung neuer Früherkennungsverfahren. Bekannt ist auch, dass Diabetiker einen typischen, acetonartigen Atem entwickeln können, der selbst für Menschen wahrnehmbar ist. Speziell ausgebildete Diabetes-Hunde können eine Unterzuckerung allerdings deutlich eher erkennen, und Herrchen oder Frauchen ein warnendes Signal geben. Nicht alle Hunde schnüffeln gleich gut Wie gut ein Screening mit Hunden gelingt, hänge von verschiedenen Faktoren ab, sagt Schmetzer. In ihren Versuchen hat sie gemerkt, dass es zum Beispiel auf die verwendeten Trägermaterialien der Riechproben ankommt. Die Hunde kommen nämlich nicht direkt in Kontakt mit den Patienten: Sie schnüffeln vielmehr an Röhrchen mit kleinen Vliesstückchen oder Mundschutz-Tüchern, in die die Patienten oder Gesunde vorher hinein geatmet haben. Aber auch bei der Ausbildung der Hunde gilt es viel zu beachten. So hatte eine Gruppe von Ausbildern zu Beginn den Fehler gemacht, die Hunde immer dann zu belohnen, wenn sie sich vor einer positiven Probe hinlegten. Waren nur negative Kontrollproben vorhanden, legten sich die Hunde trotzdem hin – schließlich wäre sonst die Belohnung entfallen. „Wir haben das Verfahren geändert, so dass die Hunde nun nach jeder absolvierten Runde belohnt werden, mit Lob, Leckerchen oder Streicheleinheiten“, sagt Schmetzer. „Inzwischen erreichen wir sehr gute und hochsignifikante Ergebnisse bei der Erkennung von tumorfreien Proben. 89% der tumorfreien Proben und 67% von tumordufthaltigen Proben werden richtig vom Hund erkannt. Allerdings sind nicht alle Hunde gleich gut.“ Geeignet seien dabei verschiedene Hunderassen, vom Schäferhund bis hin zum Mischling – nur nicht solche, bei denen durch Züchtung die Nase verkürzt wurde, denn darunter kann der Geruchssinn leiden. Ein Nachteil sei, dass die Leistung der Hunde, anders als bei technischen Geräten, von deren Tagesform abhängig sei. „Das macht das Verfahren schwerer standardisierbar“, sagt Schmetzer. Trotzdem kann sie sich gut vorstellen, dass Patienten eines Tages vom Einsatz der Hunde profitieren. So könnte das Ergebnis des Schnüffeltests nach einem auffälligen, aber uneindeutigen Röntgen- oder MRT-Befund angewendet werden. „Ist das Ergebnis negativ, könnte man sich entscheiden, bis zur nächsten Kontrolluntersuchung abzuwarten, und den Patienten so eine Gewebeentnahme ersparen, die zudem oft mit Risiken verbunden ist“. Eine wichtige Hürde vor der Anwendungsreife sei aber neben der Standardisierung noch das Problem, dass man nicht wisse, ab welcher Größe Tumoren von Hunden erkannt werden können. „Dafür bräuchte man aufwendige klinische Testreihen.“ Hunde und E-Nase im Vergleich Andreas Rembert Koczulla © privat Im Rahmen ihrer Studien vergleicht Schmetzer auch die Leistung der Hunde mit elektronischen Verfahren zur Geruchserkennung. Hierfür arbeitet sie mit Andreas Rembert Koczulla zusammen. Der Professor besetzt den Lehrstuhl für pneumologische Rehabilitation an der Universitätsklinik Marburg. Koczulla erprobt die Diagnostik mit sogenannten Elektronischen Nasen (E-Nasen). Die E-Nasen sind mit Rezeptoren ausgestattet, die elektrische Signale durch die Bindung von Molekülen aus der Atemluft erfassen, die dann ausgewertet werden können. Auf diese Weise lassen sich Gerüche messen. Um ein spezifisches Geruchsmuster erkennen zu können, müssen die E-Nasen dafür geeicht und trainiert werden – ähnlich, wie es die Hunde zu trainieren gilt. Zum Teil werden E-Nasen auch bereits für bestimmte Zwecke entwickelt, wie zu Qualitätskontrollen in der Lebensmittelchemie. Genau wie Schmetzer in den Versuchen mit den Hunden versuchte Koczulla mit den Elektronischen Nasen gutartige von bösartigen Lungentumoren zu unterscheiden. So wollen die Wissenschaftler die beiden Methoden vergleichen, das Ergebnis wurde bislang jedoch nicht veröffentlicht. „Es sieht so aus, als ob das elektronische System etwas verlässlicher ist“, sagt Koczulla. „Ich würde mich hier aber zurückhalten. Es kommt stark auf die Hunde und das Training an.“ Beides hat Vor- und Nachteile Klar ist jetzt schon, dass beide Verfahren ihre Vor- und Nachteile haben. Der Hund mag seine Tagesform haben und nicht immer „wie eine Maschine“ funktionieren. „Wir haben aber gesehen, dass die Hunde sehr zuverlässig die typischen Geruchsmuster erkennen und dabei weniger anfällig für Störfaktoren sind“, sagt Koczulla. Das heißt: Auch wenn andere Gerüche, wie eine Mundspülung oder ein Raucheratem, im Geruchsspektrum alles andere überlagern, lassen sich Hunde davon nicht beirren. Anders die elektronischen Nasen, die zwar Feinheiten messen könnten, aber dadurch auch störanfälliger werden: „Anfangs hat es die Geräte durcheinander gebracht, wenn nur kurz jemand mit Parfüm den Raum betreten hat.“ In der Erprobungsphase hat Koczulla mit den E-Nasen trotzdem gute Ergebnisse erzielt: Die Geräte konnten Gesunde mit einer Genauigkeit von 94 Prozent von Patienten mit Alzheimer unterscheiden und Parkinsonpatienten mit einer Trefferquote von 100 Prozent anhand deren Atemluft erkennen. Insgesamt lagen die E-Nasen bei 53 Patienten nur dreimal falsch. In einem anderen Versuch ließen sich 19 Patienten mit Blasentumoren von 21 gesunden Kontrollprobanden mit hundertprozentiger Treffsicherheit unterscheiden, indem die E-Nasen deren Uringeruch analysierten. Große Studien fehlen für Evidenznachweis Koczulla glaubt zudem, dass E-Nasen gut geeignet sein könnten, um die Besiedelung mit bestimmten Keimen zu erkennen. Eine mögliche Anwendung für die Zukunft könnte daher ein Eingangstest in Krankenhäusern mit einem Screening auf resistente Keime sein. „Man hätte sofort ein Ergebnis und könnte MRSA-Patienten isolieren.“ Für die Breitenanwendung seien die Geräte aber derzeit trotz allem noch nicht reif. Zum einen sei die Methode derzeit noch recht aufwendig und teuer. Eine Möglichkeit wäre daher die Entwicklung einfacherer elektronischer Nasen, die eben nur eine bestimmte Krankheit erkennen können. Zudem ist allen bisherigen Versuchen gemein, dass es sich bisher noch um Erprobungen mit wenigen Patienten handelt. „Wir können hier nur die Türöffnerstudien machen“, sagt Koczulla. „Zu mehr haben wir nicht die Mittel.“ Die Breitenanwendung würde den Evidenznachweis durch größere Versuchsreihen mit vierstelligen Patientenzahlen erfordern. Und daran sei beispielsweise die Pharmaindustrie nicht interessiert. „Schließlich kann man dadurch keine Medikamente verkaufen.“ Es sei zwar „hochwahrscheinlich“, dass die Methode auch im großen Stil, also in groß angelegten Versuchen, funktioniert, sagt Koczulla. „Aber mein Taschengeld reicht dafür leider nicht aus.“