Die wenigsten Menschen haben ihn: den so oft vermuteten Magnesiummangel. Empfohlen wird Magnesium trotzdem häufig, vor allem gegen Wadenkrämpfe.
Meistens passiert es im Dunkeln: Waden und Fußgewölbe sind oft von sogenannten gewöhnlichen Muskelkrämpfen betroffen. Der Muskel krampft in der Regel nachts und in Ruhe.
Der Leitlinie zufolge werden die Krämpfe in den intramuskulären Anteilen der efferenten Axone ausgelöst. An dieser Stelle soll Magnesium ansetzen. In der S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Muskelkrämpfen steht: „Die Gabe von Magnesium sollte aufgrund des günstigen Nebenwirkungprofiles versucht werden, die Wirksamkeit ist nicht ausreichend belegt.“ Ist es trotz unsicherer Studienlage also sinnvoll, bei Wadenkrämpfen Magnesium einzunehmen?
Michael Fritz ist Facharzt für Allgemein- und Sportmedizin mit Praxis in Viersen. Ihm zufolge nützt es wenig, bei Wadenkrämpfen den Magnesium-Spiegel zu bestimmen. Denn weniger als 0,3 Prozent des Magnesiums befinden sich im Plasma. Die Messung der Magnesium-Konzentration im Plasma lässt also keinen Rückschluss darauf zu, wie viel Magnesium im Körper gespeichert ist.
„Der erwachsene menschliche Körper enthält durchschnittlich etwa 1.000 mmol Magnesium. Das entspricht etwa 24 Gramm. Circa 60 Prozent davon sind im Knochen gespeichert. Von diesem Magnesium können unter Mangelsituationen etwa 30 Prozent verfügbar gemacht werden, um die Serum-Konzentration möglichst konstant zu halten“, so der Arzt. Auch Magnesium-Speicher in Skelettmuskel und Leber können zu einem gewissen Anteil verfügbar gemacht werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt einen Referenzwert von etwa 350 Milligramm Magnesium pro Tag an. Die Empfehlungen variieren leicht, je nach Alter.
In der Regel nehme ein Gesunder allein durch die Ernährung ausreichend Magnesium auf, sagt Fritz. „Die Magnesium-Verluste sind dahingegen auch beim Sport minimal und können aus Muskel-, Knochen- und Leberdepots rasch gedeckt werden.“ Das sei auch unter extremen Bedingungen der Fall. Der Mediziner gibt ein Beispiel: Selbst wenn ein Sportler 4,5 Liter schwitzt, gehen dabei nur etwa 150 Milligramm Magnesium verloren – eine relativ kleine Menge.
Karl Christian Knop ist Facharzt für Neurologie und arbeitet in Hamburg. Er bestätigt, dass ein Mangel an Magnesium äußerst selten vorliege. Warum wird trotzdem Magnesium gegeben? „Magnesium hat regulatorische Funktionen für die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Ruhemembranpotentials und kann damit die Reizschwelle wieder etwas heraufzusetzen“, erklärt Knop. Zu diesem Zweck wären allerdings hohe Dosen Magnesium nötig. Und dabei treten meist zu starke Nebenwirkungen wie Durchfall auf.
Letztlich muss man von Fall zu Fall entscheiden, ob Magnesium in kleineren Mengen dennoch sinnvoll ist, meint Knop. Denn manche Patienten berichten von einer Verringerung der Krämpfe unter Magnesium. Zudem ist Magnesium eines der wenigen Mittel, das auch Schwangere einnehmen können. Den Leitlinien zufolge könnte Magnesium möglicherweise bei Muskelkrämpfen in der Schwangerschaft helfen. Die Studienlage ist allerdings nicht eindeutig.
Was bei Wadenkrämpfen im Gegensatz zu Magnesium zuverlässiger wirkt, ist Dehnen. Denn eine Verkürzung des Muskels erleichtert die Auslösung des Krampfs, so die Leitlinien-Autoren. Wird der betroffene Muskel gedehnt oder der Antagonist angespannt, kann sich der Krampf wieder lösen. Bei einem akuten schmerzhaften Muskelkrampf hilft daher eine sofortige Dehnung. Bei nächtlichen Wadenkrämpfen hat sich regelmäßiges Dehnen vor dem Zubettgehen in Studien auch präventiv bewährt.
Nicht immer lässt sich allerdings eine Ursache für häufige Wadenkrämpfe finden. Es gibt aber einige Dinge, die der Arzt im Blick haben sollte. Welche das sind, erfahrt ihr im zweiten Teil des Artikels.
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