US-Forscher berichten über ein HIV-Medikament mit völlig neuem Wirkprinzip. Statt mehrere Tabletten täglich zu schlucken, könnten Patienten mit nur einer Injektion alle sechs Monate behandelt werden.
In Nature ist jetzt eine Studie über einen neuen Wirkstoff für die HIV-Therapie erschienen. Das Präparat namens Lenacapavir (GS-6207) stört die Funktion des Proteins p24 und baut damit auf ein völlig neues Wirkprinzip. Das Protein p24 ist hauptsächlicher Baustein des Kapsids, der schützenden Hülle, die das Genom des Virus umgibt.
Bisherige Therapien zielen auf virale Enzyme ab, die für die Vermehrung verantwortlich sind (Integrase, Protease, Transkriptase). Dafür müssen Patienten täglich eine Kombination mehrerer antiretroviraler Medikamente einnehmen. Der Kapsid-Inhibitor kann das HI-Virus jedoch bis zu sechs Monate lang unter Kontrolle halten. Damit wäre es möglich, die Virenzahl bei Patienten mit nur einer halbjährlichen Injektion des Medikaments niedrig zu halten.
Erste Ergebnisse einer klinischen Studie liegen bereits vor. Bei 40 gesunden Probanden lag die Konzentration der Substanz noch über Wochen in einem wirksamen Bereich im Blut. Bei 32 HIV-Infizierten konnte der Wirkstoff die Zahl der Viren verringern. Im Labor zeigte sich Lenacapavir sogar bei HI-Viren als wirksam, die gegen andere Medikamente bereits resistent sind. Allerdings bildeten sich auch gegen Lenacapavir Resistenzen.
„Das ist eine starke Substanz“, sagt Molekularvirologe Frank Kirchhoff vom Universitätsklinikum Ulm gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Ich hätte nicht gedacht, dass man so aktive Substanzen gegen das HIV-Capsid entwickeln kann.“ Das Mittel scheine außerdem gut verträglich zu sein. Letztlich müsse man zur Abschätzung der Nebenwirkungen aber größere Studien abwarten, betont Kirchhoff.
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