Bei Menschen mit einer neurodegenerativen Erkrankung oder einer Lähmung sind Bewegung und Kommunikation häufig nur noch eingeschränkt möglich. Ein neu entwickeltes BCI könnte für Mobilität sorgen. Es steuert Exoskelette mittels dekodierter EEG, die es in Steuersignale verwandelt.
Dazu richtet der Benutzer seine Aufmerksamkeit auf eine von fünf flackernden Leuchtdioden (LEDs) und das Brain Computer Interface (BCI) ermöglicht, dass das Exoskelett hirngesteuert entweder vorwärts oder nach links oder rechts bewegt wird, sich hinsetzt oder aufsteht.
Jede der fünf LEDs flackert in einer anderen Frequenz, wobei alle LEDs gleichzeitig aktiv sind. Nur wenn der Nutzer seine Aufmerksamkeit auf eine spezifische LED fokussiert, wird deren Flackerfrequenz im EEG stärker reflektiert als die der anderen LEDs, auf die der Nutzer keine Aufmerksamkeit lenkt. Diese Auswahl kann in Echtzeit identifiziert und als Steuersignal für das Exoskelett genutzt werden. Ein zentrales Problem für die praktische Umsetzung ist die technische Trennung der speziellen Hirnstromsignaturen von anderen Hirnaktivitäten sowie den ausgeprägten Artefakten, die durch das Exoskelett verursacht werden.
„Exoskelette erzeugen eine Menge elektrisches Rauschen“, erklärt Prof. Dr. Klaus-Robert Müller von der TU Berlin, der einer der Autoren der Studie ist. „Das eigentlich interessante EEG-Signal wird unter all dem technischen Rauschen begraben – aber unser System kann nicht nur das EEG-Nutzsignal trennen, sondern zusätzlich auch die Frequenz der flackernden LEDs unterscheiden.” Obwohl in dieser Studie das neue System nur für gesunde Probanden getestet wurde, hat es das Potential, auch kranken oder behinderten Menschen zu helfen. “Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose, einer neurodegenerative Erkrankung oder Lähmung durch starke Rückenmarksverletzung haben größte Schwierigkeiten zu kommunizieren beziehungsweise können ihre Gliedmaßen nicht bewegen”, führt Müller aus. “Eine Dekodierung ihrer Intentionen aus Hirnsignalen könnte neue Wege zur Kommunikation und damit zum Gehen aufzeigen.”
Das vorgeschlagene BCI-Steuersystem wäre ein technisch simpler und praktikabler Zusatz für Exoskelette, besonders da EEGs, EEG-Kappen und Hardware immer günstiger werden und mittlerweile auch für den Konsumerbereich zu finden sind. Die Probanden des Experiments brauchten nur wenige Minuten, um die Kommunikation mit dem Exoskelett mittels BCI zu lernen. Für alle Probanden wurden wegen der flackernden LEDs bestimmte neurologische Vorerkrankungen, wie beispielsweise Epilepsie, ausgeschlossen. Die Wissenschaftler arbeiten nun daran, die “visuelle Ermüdung”, die bei längerer Nutzung des Systems auftritt, zu reduzieren. “Wir wollen mit unserer Forschung Patienten helfen. Diese Studie zeigt, dass unser Brain Computer Interface ein Exoskelett einfach, robust und intuitiv steuern kann – obwohl dies durch die vielen Artefakte, die vom Exoskelett selbst ausgehen, nicht einfach ist”, schließt TU-Professor Klaus-Robert Müller. Originalpublikation: Müller, Klaus-Robert et al.: A lower limb exoskeleton control system based on steady state visual evoked potentials; Journal of Neuronal Engineering, Volume 12, Number 5, 17 August 2015