Die Notfallverhütung kann eine ungeplante Schwangerschaft verhindern. Doch auch wenn die „Pille danach“ seit fünf Jahren rezeptfrei ist, gibt es einiges zu beachten.
Das Zeitfenster für eine Konzeption ist im Zyklus limitiert. Die höchste Wahrscheinlichkeit besteht 48–24 h präovulatorisch und geht 1–2 Tage postovulatorisch gegen Null. Für eine Implantation ist außerdem ein zeitgerecht vorbereitetes Endometrium nötig. Spermien sind etwa fünf Tage im weiblichen Zervixsekret vital. Zu den Hauptursachen ungeplanter Schwangerschaften zählen Geschlechtsverkehr ohne Verhütung, Kondomversager und Einnahmefehler bei der oralen hormonellen Kontrazeption. In einem begrenzten Zeitfenster ist in diesen Fällen die Anwendung eines Notfallkontrazeptivums möglich.
Seit 2015 ist die hormonelle Notfallkontrazeption von der Verschreibungspflicht ausgenommen. In die gynäkologische Praxis kommen nun vor allem Patientinnen unter 22 Jahren, um ein Notfallkontrazeptivum auf Kassenrezept zu erhalten.
Bei der einmaligen Gabe von 1,5 mg LNG (PiDaNa®), optimalerweise innerhalb eines Intervalls von 72 h, kommt es zur Verzögerung oder Verhinderung des Eisprungs. Die Einnahme sollte so früh wie möglich postkoital erfolgen und wirkt nur präovulatorisch. Ob auch zusätzliche Effekte, wie Verdickung des Zervixschleims oder Auswirkungen auf den Spermientransport innerhalb des Eileiters zur Wirkung beitragen, wird kontrovers diskutiert.
Die Implantation einer bereits befruchteten Eizelle kann nicht verhindert werden. Die Wirksamkeit ist ab einem BMI ≥ 25 kg/m² reduziert. Eine Verdopplung der Dosis führte in Studien bei adipösen Frauen zu vergleichbaren Serumspiegeln wie bei normalgewichtigen, so dass dies eine Therapieoption für die Praxis wäre. Das wird jedoch (noch) nicht von internationalen Leitlinien empfohlen. Die Deutsche S3-Leitlinie zur hormonellen Empfängnisverhütung empfiehlt, adipöse Frauen auf die Anwendung eines gewichtsunabhängigen Kupfer-Intrauterinpessars als Notfallkontrazeption hinzuweisen.
Insgesamt ergaben randomisierte kontrollierte Studien zur Wirksamkeit von LNG als Notfallkontrazeptivum eine Versagerquote von 0,3–2,6 %. Es ist möglich, die ursprüngliche hormonelle Kontrazeption weiterzuführen bzw. unmittelbar nach LNG damit zu beginnen. Für den weiteren Zyklus sollte zusätzlich eine Barrieremethode angewendet werden.
Wie bei anderen hormonellen Kontrazeptiva sind Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln bekannt, z. B. mit Antiepileptika, Antimyotika, HIV-Medikamenten oder Tuberkulostatika. Ähnliches gilt für Johanniskraut. Es kann auch hier zur Wirkungsabschwächung des Notfallkontrazeptivums kommen.
Bei schweren Leberfunktionsstörungen ist die Einnahme kritisch zu sehen. Trotz anamnestisch bekannten kardiovaskulären Vorerkrankungen oder thromboembolische Ereignissen ist die Einnahme möglich. Stillen ist ebenfalls keine Kontraindikation, idealerweise sollte die Einnahme aber unmittelbar nach dem Stillen erfolgen und eine Stillpause von 8 h eingelegt werden. Nebenwirkungen sind u. a. Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Schwindel. Bei Erbrechen innerhalb der ersten drei Stunden nach Einnahme sollte LNG erneut eingenommen werden. Es kann zu Zwischenblutungen kommen, bei einer Anwendung vor der Ovulation tritt die Periodenblutung meist früher ein, bei peri- oder postovulatorischer Einnahme kommt die Menstruation häufig zum erwarteten Termin.
Bei UPA (ellaOne®) handelt sich um einen selektiven Progesteronmodulator. Er sollte ebenfalls so früh wie möglich eingenommen werden, wobei das Zeitfenster 120 h beträgt. Auch hier ist die Wirkung über eine Verzögerung der Ovulation gegeben und von keinem Anti-Implantationseffekt auszugehen. „UPA ist im Vergleich zu LNG das effektivere Notfallkontrazeptivum nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr“, so Sabine Segerer in Menopause & Contraception.
Eine Metaanalyse dreier randomisiert-kontrollierter Studien zeigte eine signifikant höhere Effektivität von UPA im Vergleich zu LNG insbesondere bei bereits begonnenem LH-Anstieg (UPA 79 % und LNG 14 %). Der Unterschied in der Effektivität zeigt sich besonders mit zunehmender Dauer postkoital.
Bei adipösen Frauen wurde eine höhere Sicherheit von UPA festgestellt, wobei bei einem BMI ≥ 30 kg/m² ein Kuper-Intrauterinpessar als Alternative zu diskutieren ist. Die Einnahme bei schweren Leberfunktionsstörungen wird kritisch gesehen, ebenfalls bei schwerem, durch Steroide nicht beherrschbarem Asthma. Kardiovaskuläre und thromboembolische Ereignisse in der Anamnese sind kein Hinderungsgrund. Das Stillen sollte allerdings für die nächsten sieben Tage ausgesetzt werden.
An Nebenwirkungen werden u. a. Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel und Zyklusverschiebungen berichtet. Bei Erbrechen kurz nach der Einnahme ist eine Wiederholung anzuraten. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind vergleichbar zu LNG, hinzu kommen Antazida und Protonenpumpenhemmer.
Eine Sondersituation nimmt die gleichzeitige Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva ein. In der Fachinformation ist dazu folgendes zu lesen:
„Obwohl die Anwendung von ellaOne® keine Kontraindikation zur weiteren Anwendung einer regelmäßigen hormonellen Kontrazeption darstellt, kann ellaOne® die kontrazeptive Wirkung beeinträchtigen (…). Aus diesem Grund können Frauen nach der Anwendung von ellaOne® die Anwendung hormoneller Kontrazeption beginnen oder fortsetzen, sofern sie dies wünschen, sie sollten jedoch bis zur nächsten Menstruationsblutung eine zuverlässige Barrieremethode anwenden.“
Experten sehen das hingegen kritisch, wie in der S3-Leitlinie „Hormonelle Empfängnisverhütung“ zu lesen ist:
„Da UPA als selektiver Progesteronrezeptorenmodulator an Progesteronrezeptoren bindet, um die Ovulation zu verzögern, könnte möglicherweise die Effektivität von Gestagen enthaltenden kontrazeptiven Methoden, von UPA selbst oder beidem reduziert sein. Bislang liegen zu dieser Fragestellung nur wenige Studien vor. Ergebnisse einer doppelblindrandomisierten, Placebo-kontrollierten Studie, in der Frauen eine kombinierte hormonelle Therapie (KOH) mit 30 µg EE und 150 µg LNG einnehmen, zeigten eine vergleichbare Ovulationssupression/Follikelgröße/Serumprogesteron/Serumestradiol mit/ohne UPA-Einnahme bei gleichzeitiger KOH-Einnahme. In einer weiteren prospektiven, randomisierten Studie zur Frage des Quick-Starts eines Gestagen-Mono-Kontrazeptivums (Desogestrel 75 µg) ein Tag nach UPA-Gabe wurde die Inzidenz der Ovulation mit Desogestrel und UPA vs. UPA alleine untersucht. Dabei konnte eine signifikante Minderung der Effizienz von UPA bei folgender Desogestreleinnahme (signifikant höhere Ovulationsrate in den 6 Tagen nach Desogestrel und UPA vs. UPA allein (45 % vs. 3 %; p=0,0054) festgestellt werden.(…) Nach Empfehlung des Canadian Contraception Consensus sollte nach fünf Tagen nach UPA Anwendung mit einer hormonellen Kontrazeption begonnen/diese fortgeführt werden. Während dieser fünf Tage sollte eine Barrieremethode eingesetzt bzw. Abstinenz erfolgen. Gleiches gilt in den ersten 14 Tagen nach Start der hormonellen Kontrazeption.“
Sie gilt als die effektivste Form (Versagerquote 0,1 %) der Notfallkontrazeption und wird überwiegend außerhalb Deutschlands angewendet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt die Einlage innerhalb von 5 Tagen nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr.
Die Wirkungsweise ist vielschichtig. Die Kupferionen beeinflussen das Umfeld für die Oozyte und die Spermien negativ, außerdem werden ungünstige uterine Effekte für die Implantation geschaffen. Vor der Einlage müssen eine Infektion und eine bereits bestehende Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Es besteht bezüglich der Effektivität keine Abhängigkeit vom BMI und auch das Stillen ist möglich. Nebenwirkungen können u. a. verstärkte Menstruationsblutungen sein. Kardiovaskuläre und thromboembolische Vorerkrankungen sind kein Hinderungsgrund.
Wichtig ist, an die Möglichkeit der Notfallkontrazeption zu denken, um ungeplante Schwangerschaften zu vermeiden. Ungeschützter Geschlechtsverkehr, Fehlanwendungen von Kontrazeptiva und besonders die Erstversorgung nach einer Vergewaltigung können Grund für eine Notfallkontrazeption sein.
In Deutschland wird vornehmlich die hormonelle Notfallkontrazeption angewendet. Diese sollte so schnell wie möglich postkoital erfolgen. Seit 2015 gibt es in Deutschland keine Rezeptpflicht mehr. UPA ist zwar etwas teurer, aber effektiver wirksam als LNG. Notfallkontrazeption sollte eine Ausnahmesituation bleiben und Anlass zu einer individuellen Antikonzeptionsberatung sein.
Zusätzliche Quelle: Menopause & Contraception: PD Dr. Sabine Segerer; Notfallkontrazeption – ein Update; Juni 2020 (bisher nur als Paper).
Bildquelle: Reproductive Health Supplies Coalition, Unsplash