Das Strophanthusglykosid g-Strophanthin ist ein wirksames Agenz zur pharmakologischen Präkonditionierung, es schützt vor chronischen Nierenerkrankungen, wirkt als Breitband-Senolytikum und besitzt ausgeprägte antivirale Wirkungen auch gegen Corona Viren.
Das Strophanthusglykosid g-Strophanthin (englisches Synonym: Ouabain) ist über Jahrzehnte hinweg vor allem in Deutschland erfolgreich in der Behandlung von Herzerkrankungen eingesetzt worden. Aktuelle Forschungsergebnisse belegen, dass dieser Wirkstoff über bisher vernachlässigte Wirkqualitäten verfügt. Über neu entdeckte Signalkaskaden beeinflusst Strophanthin vielfältige physiologische Vorgänge.
Ischämische Präkonditionierung
Ein körpereigener Schutzmechanismus, welcher sich über mehrere Organe erstreckt, ist die ischämische Präkonditionierung. Diese fußt auf der Beobachtung, dass wiederholtes Unterbinden von Blutzufuhr zu einem Organ, jeweils gefolgt von Phasen der Wiederdurchblutung, vor Schädigungen des Organs durch lang anhaltende Mangeldurchblutung (Ischämie) schützt. Herz, Niere, Leber, Gehirn und nahezu alle inneren Organe [1] können durch ischämische Präkonditionierung vor Schädigungen durch Ischämie geschützt werden.
In mehreren Arbeiten hat die Arbeitsgruppe um Sandrine Pierre an der University of Toledo, USA, nachgewiesen, dass Strophanthin in niedriger Dosierung ähnlich wie die Präkonditionierung einen Schutz der Herzzellen bewirkt. Es gilt als gesichert, dass Strophanthin die gleichen Signalkaskaden aktiviert, welche auch durch ischämische Präkonditionierung aktiviert werden. Experimentell bestätigt ist, dass Strophanthin in Zellkulturen sowohl enzymatische als auch signalgebende Funktionen der Natriumpumpe vor Veränderungen schützt, welche im ischämischen Herzen beeinträchtigt sind [2].
Chronische Nierenerkrankungen
Die Risiken von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sind durch hormonelle Mechanismen miteinander verflochten, und chronische Nierenerkrankungen sind mit einem erhöhten Risiko für Bluthochdruck und Tod bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden. Fötale Unterernährung gefährdet die Entwicklung der Nieren und führt zu einem erhöhten Risiko für Nierenerkrankungen und Bluthochdruck. Chronische Nierenerkrankungen stellen eine große sozioökonomische Belastung dar, sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern. Beispielsweise gibt es heute mehr als 20 Millionen Amerikaner, die Anzeichen einer chronischen Nierenerkrankung haben und dem Risiko eines Nierenversagens ausgesetzt sind. Bisher gibt es kein Medikament zur Behandlung dieser Erkrankung. Strophanthin in vivo schützt die Nierenentwicklung vor negativen Auswirkungen der Unterernährung [3,4].
Breitband-Senolytikum
Seneszenz ist eine schützende Stressantwort, welche die Reproduktion von geschädigten, präneoplastischen oder gealterten Zellen einschränkt. Bei der Seneszenz treten die Zellen in einen stabilen Zellzyklusarrest ein. Seneszenzzellen sind in präneoplastischen und fibrotischen Läsionen vorhanden, sie akkumulieren sich in alten Geweben und sind mit einer Reihe von Pathologien verbunden. Die anormale Anhäufung von Seneszenzzellen während des Alterns und von Krankheitszuständen ist in hohem Maße schädlich. In Mausmodellen konnte gezeigt werden, dass die Entfernung seneszenter Zellen aus progeroiden oder natürlich alternden Mäusen den Gesundheitszustand verbessert, die Lebensdauer verlängert und in einer Reihe von Pathologien wie Atherosklerose, Osteoarthritis und neurodegenerativen Erkrankungen protektiv wirkt.
In neueren Studien hat die Behandlung mit Strophanthin die Anzahl der seneszenten Zellen in alten Mäusen reduziert [5,6]. Strophanthin zielt nicht nur auf seneszente Zellen ab, sondern hat auch eine breitere Wirkung, welche sich in einer Verbesserung der Stoffwechselparameter und der körperlichen Fitness niederschlägt. Darüber hinaus verringert die durch Strophanthin induzierte Verringerung der Seneszenz chronische Entzündungen und kehrt die bei alten Mäusen beobachteten Veränderungen der Immuninfiltration um. Diese Daten belegen, dass sich das Gewebe als Reaktion auf die Eliminierung der Seneszenzzellen reaktiviert. Die senolytischen Wirkungen von Strophanthin lassen es sinnvoll erscheinen, Strophanthin mit Krebstherapien zu kombinieren, um sowohl die Eliminierung von Krebszellen zu verbessern als auch die Ansammlung von seneszenten Zellen zu vermeiden, welche für einige der Nebenwirkungen von traditionellen Krebsbehandlungen verantwortlich sind.
Eine breite senolytische Wirkung von Strophanthin wird bestätigt durch klinische Erfahrungen. Nach Strophanthin-Behandlung wird nicht nur eine Besserung der spezifischen Krankheitszustände berichtet sondern oftmals auch eine generelle Besserung des Befindens der Patienten beobachtet. Die senolytische Wirkung von Strophanthin bietet ein breites Spektrum von Indikationen für die eine klinische Entwicklung gerechtfertigt ist.
Antivirale Wirkung
Von aktueller Bedeutung sind neue Arbeiten, welche eine in vitro Wirkung von Strophanthin gegen Corona-Viren belegen [7-9]. In der klinischen Praxis ist Strophanthin mit Erfolg bei interkurrenten Infekten und Lungenentzündungen eingesetzt worden. Covid-19 Erkrankte leiden häufig unter einer Störung der Sauerstoffaufnahme/Sauerstoffverwertung . Es ist ein historisch gut belegter Befund, dass Strophanthin bei hypoxischen Zuständen Sauerstoffdefizite effektiv behebt. 70 bis 80 Prozent der Covid-19 Patienten leiden zudem unter Herzkreislauf Erkrankungen. Mit seiner dualen Wirkung – Schutz des Herzens bei gleichzeitiger antiviraler Wirkung - ist Strophanthin ein hoffnungsvoller Kandidat für den wirksamen Einsatz in der Covid-19 Therapie.
Die klinischen Erfahrungen mit Strophanthin sind außerhalb Deutschlands kaum bekannt. Nahezu die gesamte Literatur zur klinischen Wirkung dieses Wirkstoffs ist auf deutsch verfasst und damit für internationale Forscher so gut wie verborgen. Die klinische Entwicklung zur Neuzulassung von Strophanthin wäre ein essentieller Beitrag Deutschlands zur dringend benötigten Therapie von Covid-19.
Literaturangaben
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[8] Junhyung Cho, Young Jae Lee, Je-Hyoung Kim, Sang il Kim, Sung Soon Kim, Byeong-Sun Choi, Jang-Hoon Choi. Antiviral Activity of Digoxin and Ouabain against SARS-CoV-2 Infection and Its Implication for COVID-19, research square 2020 https://www.researchsquare.com/article/rs-34731/v1
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[9] C-W. Yang, H-Y. Hsu, H-Y. Chang, Y-Z. Lee, S-J. Lee, Natural cardenolides suppress coronaviral replication by downregulating JAK1 via a Na+/K+-ATPase independent proteolysis, Biochemical Pharmacology (2020), doi: https://doi.org/10.1016/j.bcp.2020.114122