Dass Prostatakrebs durch eine Infektion mit HPV verursacht oder zumindest begünstigt werden kann, wird seit längerem diskutiert. Eine Metastudie liefert nun weitere Indizien dafür.
Beim Prostatakarzinom handelt es sich um den häufigsten malignen Tumor beim Mann. Auffällig oft wird in Prostatatumoren das sexuell übertragbare humane Papillomvirus (HPV) identifiziert. Meist verläuft eine Infektion symptomlos. Ein Teil der Infizierten entwickelt jedoch eine Krebserkrankung. Bei Frauen kommt es zur Entartung von Zellen im Gebärmutterhalskrebs, die ein Zervixkarzinom verursacht. Bei Männern kann eine HPV-Infektion zu Krebs im Rachen, Penis oder Anus führen.
Auch der Prostatakrebs soll durch diese Viren hervorgerufen bzw. begünstigt werden. Das ist zumindest das Ergebnis einer Metaanalyse von 26 Studien, die seit 1980 publiziert wurden und einen Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen nahelegen.
James Lawson und Wendy Glenn von der University of New South Wales gingen der Frage nach, wie häufig HPV bei bösartigen Prostatatumoren im Gewebe zu finden ist. Von 1.071 untersuchten Krebspatienten wiesen 21 Prozent HP-Viren auf. Im Vergleich dazu waren es bei gesunden Kontrollen oder Patienten mit gutartigen Prostatatumoren nur knappe 7 Prozent. Bei den Hochrisiko-HPV-Typen 16 und 18 stellten sie bei Tumorpatienten eine auffällige Häufung im Prostatagewebe fest.
Lawson und Glenn vermuten einen kausalen Zusammenhang zwischen HPV und Prostatakrebs. Beweise haben sie noch nicht, nur gute Argumente. So beschreiben sie etwa Ergebnisse aus Zellkulturexperimenten: Eine Infektion mit Hochrisiko-HPV-Typen hatte entartete Zellen des Prostata-Epithels zur Folge. In einigen Studien konnten zudem humane Papillomviren im Prostatagewebe gesunder Männer nachgewiesen werden – diese Männer entwickelten allerdings zehn Jahre später häufiger ein Prostatakarzinom als Männer ohne HP-Viren. Auf welche Weise das Virus eine maligne Transformation von Prostatadrüsen verursacht oder begünstigt, ist noch unklar.
Dass eine Infektion mit HPV für Männer in der Regel harmlos ist, ist eine etablierte Annahme, die es zu überdenken gilt. Angesichts der nachvollziehbaren These von Lawson und Glenn sollte die kostenlose HPV-Impfung für Mädchen und eben auch für Jungen noch stärker in den Fokus rücken.
„Ich bin mir nicht sicher, ob es bereits Daten bei anderen Krebserkrankungen gibt, allerdings würde ich einen Zusammenhang vermuten. Aus diesem Grunde erscheint es auch logisch, auf die Impfung bei Jungen hinzuweisen. Ob eine spätere Impfung einen Vorteil hat, ist meines Erachtens unklar“, sagt Prof. Peter Hammerer, Leiter der Urologischen Klinik am Städtischen Klinikum Braunschweig gegenüber dem Science Media Center. Dass eine prophylaktische Impfung das Risiko für HPV-induzierte Karzinomerkrankungen senken kann, hält er für wahrscheinlich.
„All dies sind Assoziationsstudien, ein wirklich wissenschaftlicher Beweis steht weiterhin aus“, sagt auch Prof. Michael Muders, Direktor des Rudolf-Becker-Labors für Prostatakarzinomforschung und Oberarzt der Pathologie am Universitätsklinikum Bonn. Zwar „wurden stringentere Kriterien als in den früheren Metaanalysen angewandt. Trotzdem fehlt immer noch ein stichhaltiger wissenschaftlicher Beweis, auf dessen Grundlage weitere Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden können.“
Dennoch spricht auch Muders sich klar für die Impfung von Jungen und Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren aus. „Eine HPV-Impfung sowohl von Mädchen und Jungen ist aus medizinischer Sicht absolut zur primären Prävention des Gebärmutterhalskrebses aber auch von Plattenepithelkarzinomen im HNO-Bereich zu empfehlen.“ Hier hinke man im Vergleich zu anderen Ländern hinterher. „Leider ist in Deutschland diese Art der primären Prävention nicht so verbreitet wie zum Beispiel in skandinavischen Ländern. Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf.“
Bildquelle: Laboratory of Tumor Virus Biology, unsplash