Ein Mund-Nasen-Schutz verringert Infektionen – das ist bewiesen. Und Visiere? Sie sollen der Maskenersatz für Patienten mit Lungenerkrankungen sein. Doch hier lauern Gefahren.
Während der Corona-Pandemie haben wir viel gelernt – und auch so manchen Fehler einräumen müssen. Mit seinen Empfehlungen für die Bevölkerung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen oder auch nicht zu tragen, stiftete das Robert Koch-Institut (RKI) im April reichlich Verwirrung. Mittlerweile sind wir schlauer. Vor wenigen Wochen berichteten Forscher etwa in PNAS, dass sich Kurven mit der Zahl an Neuinfizierten beispielsweise in Italien und in New York stark abgeflacht haben, seit eine Mund-Nasen-Bedeckung vorgeschrieben ist. Auch ein normales Tuch soll laut Berichten in NEJM zumindest Effekte gegen Aerosole zeigen.
Schön und gut. Nur meiden Patienten mit Lungenerkrankungen wie Asthma oder COPD solche Schutzausrüstungen. Beliebt sind Visiere, die man zuvor nur aus dem chemischen Labor kannte – oder als Schutz von Chirurgen oder Rechtsmedizinern vor herumfliegenden Knochensplittern.
Mittlerweile sieht man die Schilde plötzlich im Einzelhandel, aber auch bei Risikopatienten, die keine Masken tragen können oder wollen. Das Gesundheitsamt im Schweizer Kanton Graubünden hat inzwischen Alarm geschlagen. Die Kantonsärztin Marina Jamnicki untersuchte etliche Infektionen und kam zum Ergebnis, dass Visiere keinen ausreichenden Schutz bieten. Diese würden auch ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln. Sie rät ab, Schilde zu verwenden und verweist auf den bekannten Mund-Nasen-Schutz.
Rein physikalisch leuchtet das ein. Feinste Tröpfchen schweben in der Luft, bis sie sedimentieren. Sie gelangen in den Spalt zwischen Gesicht und Visier und werden eingeatmet.
Wer ohnehin seine Wohnung kaum verlassen kann, wird nicht über Masken oder Visiere nachdenken müssen. Doch viele Menschen mit COPD, Asthma oder Lungenemphysem wollen kaum zu Hause bleiben. Mit einem Visier wiegen sie sich in falscher Sicherheit – und gerade diese Menschen gehören zur vulnerabelsten Zielgruppe.
Albert Rizzo von der American Lung Association ist, wie er in einem Interview zugibt, mit solchen Patienten recht rigoros. Er lässt sie zu Hause mit Mund-Nasen-Schutz trainieren. Wer das Ding 30 oder 45 Minuten lang erträgt, kann damit auch kurze Einkäufe erledigen. Hinweise, dass es zur Unterversorgung mit Sauerstoff kommt, sieht er nicht. Zur Not zeigt er das seinen Patienten schon mal in der Praxis per Pulsoxymeter. Auch der Kohlendioxid-Gehalt im Blut soll sich seinen Erfahrungen nach nicht erhöhen. Einschränkend sei gesagt, dass Rizzo Visiere nicht ablehnt – aber vielleicht ändert er ja noch seine Meinung.
Jedenfalls stellt er nicht so leichtfertig Atteste aus wie das wohl einige deutsche Kollegen tun. Das Netzwerk „Ärzte für Aufklärung“ soll recht freizügig Atteste gegen die Maskenpflicht ausstellen, teils ohne Untersuchungen bei unbekannten Patienten (DocCheck berichtete). Und genau für sie könnte SARS-CoV-2 gefährlich werden.
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