In der Tumortherapie rücken die Eigenschaften des umgebenden Gewebes zunehmend in den Fokus. Eine deutsche Forschungsgruppe konnte nun erstmals zeigen, wie Blutdruckmedikamente bei der Behandlung von Lebermetastasen helfen können.
Die im renommierten Journal Cancer Cell publizierten Ergebnisse einer Heidelberger Forschungsgruppe beschreiben erstmalig einen besonderen Mechanismus. Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) könnten mit seiner Hilfe das therapeutische Ansprechen hepatischer Metastasen von Kolonkarzinomen auf den Angiogenese-Inhibitor Bevacizumab verbessern.
Letzterer ist ein regelhaft in der Erstlinientherapie des metastasierten Kolonkarzinoms eingesetzter Wirkstoff. Zu den RAS-Hemmern zählen die verbreiteten Antihypertensiva ACE-Hemmer und Sartane. Dass diese nicht nur das Darmkrebsrisiko senken können, sondern womöglich auch die Wirksamkeit einer antiangiogenetischen Therapie verbessern können, ist bekannt. Unklar war jedoch bislang, warum das so ist.
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, untersuchten die Forscher resezierte Lebermetastasen. Sie stellten fest, dass das Ansprechen auf eine präoperative Therapie mit Bevacizumab bei jenen Tumorabsiedlungen schlechter war, deren Gewebe eine besonders hohe „Steifigkeit“ aufwies.
Darüber hinaus beobachteten sie, dass die Metastasen „weicher“ und schlechter durchblutet waren, wenn die betroffenen Patienten parallel einen RAS-Inhibitor zur Behandlung ihres Bluthochdrucks eingenommen hatten.
Die zugrundeliegenden zellulären Vorgänge sind komplex. Vereinfacht zusammengefasst: Bestimmte Zellen des Bindegewebes, sogenannte metastasen-assoziierte Fibroblasten (MAF) sind in der Umgebung von Tumoren bzw. Metastasen besonders aktiv und fördern die „Steifigkeit“ des Gewebes durch verstärkte Kontraktion sowie Kollagen-Produktion. Diese Aktivität der MAF führt wiederum über die Ausschüttung von Zytokinen zu einer verstärkten Angiogenese, also Bildung von Blutgefäßen, was ebenfalls den Metastasen zugutekommt – und naheliegenderweise den Effekt des antiangiogenetischen Bevacizumab konterkariert.
Die MAF zeigen jedoch zugleich auch eine Überexprimierung von Rezeptoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. An diesen können die entsprechenden Antihypertensiva schließlich inhibitorisch wirken und darüber die gesteigerte Aktivität der Fibroblasten senken, das Gewebe wieder „weicher“ machen und den Effekt einer VEGF-Therapie verstärken.
Diese Studie betont einmal mehr die Relevanz der sogenannten Tumormikroumgebung (Microenvironment) als therapeutischen Angriffspunkt. Nach wie vor stellt die Resistenz gegenüber Chemotherapeutika und anderen zielgerichteten Medikamenten ein relevantes Problem und eine häufige Ursache für ein Therapieversagen dar. Mögliche Ansätze, um diesem Problem entgegenzuwirken, befinden sich offenbar in der näheren Umgebung der Tumoren. Ob die RAS-Inhibitoren hier klinische Relevanz erlangen, sollen nun weitere Studien zeigen.
Zur Studie von Shen et al. geht es hier entlang.
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