Invasive Pilzerkrankungen werden häufig übersehen. In Kliniken weltweit ist jetzt ein neuer Hybrid-Pilz aufgetaucht, der die Lungen von Patienten befällt.
Mikrobiologen haben die klinischen Isolate von Aspergillose-Patienten genetisch untersucht und Überraschendes zu Tage befördert: einen Pilz-Hybriden, der besonders resistent zu sein scheint. Sein Name: Aspergillus latus. Die Isolate stammten von Patienten aus Brasilien, Belgien, Portugal und den USA. Die Ergebnisse haben die Biologen nun in Cell veröffentlicht.
Medizinern ist der Hybrid-Pilz vermutlich noch nicht untergekommen. Für Dr. Grit Walther vom Nationalen Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) in Jena ist er allerdings kein Unbekannter, auch wenn er seltener identifiziert wird als andere Arten: „Im Zeitraum von 2014 bis Juni 2020 wurden dem NRZMyk mehr als 500 klinische Isolate von A. fumigatus zugesandt, aber nur 18 Isolate von A. latus.“
Die Expertin erklärt weiter: „Die Gattung Aspergillus ist ausgesprochen artenreich und nur ein Teil der Aspergillus-Arten ist in der Lage, den Menschen zu infizieren. [...] Die mit Abstand häufigste pathogene Art ist Aspergillus fumigatus.“
Die Entdeckung der Mikrobiologen ist für die Expertin aus Jena trotzdem interessant und insbesondere auch für die Infektiösität beim Menschen relevant: Erstmalig konnten die Wissenschaftler zeigen, dass bei filamentösen Pilzen eine neue Art durch die Verschmelzung zweier verschiedener Arten entstehen kann.
Diesen Vorgang, den man Hybridisierung nennt, kennt man hauptsächlich von Pflanzen. „Da Aspergillus latus die Chromosomensätze beider Eltern-Arten besitzt [...], könnte das ein Vorteil bei der Überwindung von Stresssituationen wie der Besiedlung des menschlichen Körpers darstellen“, erklärt Walther.
Insbesondere immungeschwächten Patienten kann eine Pilzinfektion gefährlich werden. Übersichtsarbeiten zu Autopsiestudien konnten zeigen, dass die invasive Aspergillose zu den am häufigsten übersehenen Diagnosen zählt und schätzungsweise nur die Hälfte der invasiven Pilzinfektionen vor dem Tod diagnostiziert werden.
Auch im Fall von viralen Erkrankungen wie der Grippe können Pilze zur Gefahr werden. Zwar haben Ärzte oft bakterielle Superinfektionen im Blick, Pilzinfektionen werden aber oft übersehen. Dabei nehmen laut eines Berichts der European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) Fälle von Influenza-assoziierter invasiver Lungenaspergillose (IPA) weltweit zu.
Ein weiteres Problem sind Resistenzen. Azol-Antimykotika sind die wichtigsten Waffen gegen Aspergillosen, doch seit Jahren steigt laut eines Berichts die Zahl Azol-resistenter Aspergillus-fumigatus-Isolate.
Auch das Forscherteam machte die Beobachtung, dass A. latus Resistenzen aufweist: Im Vergleich zu Verwandten ist er weniger sensibel gegenüber Caspofungin, einem Antimykotikum aus der Wirkstoffklasse der Echinocandine.
Doch Grund zur Sorge sieht die Expertin deswegen nicht. „Das ist zwar eine wichtige Information, allerdings gehören die Echinocandine nicht zur Erstlinientherapie von Aspergillosen“, kommentiert Walther. Viel wichtiger für die Behandlung von Aspergillosen seien andere Wirkstoffklassen wie die Azole und Amphotericin B.
Denkbar ist laut Dr. Walther aber, dass der Hybrid-Pilz in der Corona-Pandemie häufiger auftreten könnte. Das liege vor allem an der erhöhten Zahl von langzeitbeatmeten Patienten. Doch für COVID-19-Patienten hierzulande gibt sie erstmal Entwarnung: „Bei den dem NRZMyk zugesandten Aspergillus-Isolaten von COVID-19-Patienten handelte es sich mehrheitlich um Aspergillus fumigatus, Aspergillus latus wurde dem NRZMyk von diesen Patienten bisher nicht zugesandt.“
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