Der Großhandel Noweda will den Apotheken den Botendienst abnehmen. Ist das ein gutes Angebot oder erweist er den Apotheken damit einen Bärendienst?
Der Botendienst der Apotheken war selten so beliebt wie zu Corona-Zeiten. Gerade in der Anfangszeit der Pandemie nahmen viele Kunden die Möglichkeit in Anspruch, ihr Rezept in der Arztpraxis telefonisch zu bestellen, um es an die Apotheke weiterleiten zu lassen, die die Medikamente dann vorbeibringt.
Das Vorgehen dient der Prävention, denn in Zeiten, in denen man Abstand halten sollte, ist gerade die Zusammenkunft von kranken Menschen im Wartezimmer beim Arzt oder in den Verkaufsräumen einer Apotheke wenig förderlich.
Das hat auch die Politik eingesehen und die Botendienste der Apotheken erstmalig mit 5 Euro pro Botengang und Tag sowie einer einmaligen Unterstützung von 250 Euro je Apotheke zur persönlichen Ausstattung des Botendienstes honoriert. Dieser Betrag darf noch bis einschließlich 30. September abgerechnet werden, danach ist der Botendienst wieder eine reine Serviceleistung der jeweiligen Apotheke.
Viele Kunden haben sich an diese bequeme Art der Lieferung gewöhnt und werden das beibehalten wollen. Ohne Vergütung ist die große Nachfrage nach schneller Lieferung der Medikamente aber gerade für kleinere Apotheken nur noch schwer zu stemmen. Wenigstens das Problem scheint jetzt aber von vielen Seiten angegangen zu werden: Die Botendienst-Vergütung solle nun auch dauerhaft im SGB V verankert werden, berichtet die Pharmazeutische Zeitung.
Einen weiteren Lösungsansatz hält die ABDA parat, denn sie wirbt dafür, die Botendienstpauschale auch weiterhin beizubehalten. Um der Politik die Notwendigkeit dieser Dienste am Patienten nahezubringen, sammelt sie noch bis zum 14. August per Umfrage unter den Apothekenleitern Erkenntnisse darüber, wie die Apotheken in den letzten Monaten mit dem Botendienst umgegangen sind.
Auch die Apothekenleiter wünschen sich Klarheit darüber, wie es weitergeht. Viele haben für das verstärkte Lieferaufkommen extra Personal aufgestockt, das ansonsten wieder entlassen werden müsste oder die Stunden wieder gekürzt bekommt.
Daher fordert der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, Thomas Preis, Planungssicherheit für den Botendienst, noch bevor die pauschale Vergütung Ende September ausläuft. „Wir wollen durch unser Know-how und unseren zielgenauen Botendienst diejenigen schützen, die weiterhin ganz besonders gefährdet sind, an COVID-19 zu erkranken. Dadurch, dass die Krankenkassen allein durch die Mehrwertsteuersenkung in den letzten sechs Monaten dieses Jahres um gut 700 Mio. Euro entlastet werden, ist die Gegenfinanzierung mehr als gesichert“, heißt es auf der Homepage des Vereins.
Einen ganz anderen Ansatz schlägt der Pharmagroßhandel Noweda vor. Als Gründungsmitglied des Zukunftspakts Apotheke möchte sie die Apotheke vor Ort stärken und hat ein Pilotprojekt ins Leben gerufen. Dabei soll dem Kunden nach der Bestellung via Internet in seiner Apotheke die „letzte Meile“ abgenommen werden. Die Bestellung soll über einen Botendienstservice der Firma Noweda ausgeliefert werden und nicht mehr durch die Apotheke selbst.
Der Vorstandschef der Firma, Dr. Michael Kuck, begründet das folgendermaßen: „Wenn Apotheken flächendeckend einen Botendienst anbieten, dann braucht kein Mensch den Versandhandel. Und genau das werden wir ermöglichen.“
Doch genau das wird durchaus kontrovers diskutiert. Friedemann Schmitt, Präsident der ABDA, formuliert seine Bedenken mit deutlichen Worten: „[Der Botendienst] darf aus guten Gründen nur von weisungsgebundenem Personal durchgeführt werden, das bei der Apotheke selbst angestellt ist. Nur so bleibt die unmittelbare Verantwortung des Inhabers für eine sichere Versorgung und konsequente Beratung der Patienten gewährleistet. Wenn sich jetzt Dritte ganz salopp anbieten, den Botendienst für die Apotheke zu übernehmen, und dabei Buchstaben und Geist der gesetzlichen Regelung ignorieren, dann erweisen sie den Apotheken damit einen Bärendienst.“
Andere dagegen sehen einen ausgelagerten Botendienst als unproblematisch an, da für sie der Unterschied zum Versandhandel nicht in der Botenlieferung besteht, sondern bei der individuellen Beratungsleistung und beim breiteren Angebot für die Kunden. Zudem halten sie das System, dass jede Apotheke eigene Fahrzeuge und Fahrer beschäftigt, für ineffektiv.
Persönlich denke ich, dass ein sinnvolles Nebeneinander der Systeme nicht falsch ist. Für sehr kleine Apotheken, die sich kein Botenfahrzeug samt Boten leisten können, ist es oftmals schon zu viel, dass eigene Personal während der Arbeitszeiten auch noch auf Tour zu schicken. Ich sehe dieses Angebot aber tatsächlich nur als Notbehelf, denn es geht nichts über die eigene Marke und Individualität. Wer es sich leisten kann, der sollte seine Kunden weiterhin mit einem Boten beglücken, der ihnen bekannt ist. Der sich mit „seiner“ Apotheke identifiziert und auch ein offenes Ohr und die Zeit hat, sich die Sorgen und Nöte der Kunden anzuhören, die vielleicht auch über pharmazeutische Fragestellungen hinausgehen.
Denn das ist doch der Hauptgrund, warum die Menschen zu Stammkunden werden und nicht so schnell abwandern, nur weil gerade auf einer seelenlosen Homepage die Packung Paracetamol dreißig Cent billiger angeboten wird. Jede einzelne Apotheke vor Ort hat ihr eigenes und unverwechselbares Gesicht. Ein Apotheker hat es in der Facebook Gruppe „Die Digitale Apotheke“ perfekt ausgedrückt: „Jedes Auslagern von Persönlichkeit schwächt die eigene Markenbildung, welche in Zukunft an den meisten Standorten über den Erfolg entscheiden wird“. Dem kann ist nichts hinzufügen.
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