Medizinstudenten jagen generell lieber im eigenen Revier? Stimmt so nicht ganz. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, das Beuteschema breiter zu fassen. Drei Studentinnen über Vor- und Nachteile von Medizinerpärchen und Beziehungs-Gegenentwürfe.
Viele Paare lernen sich im Studium kennen. Vor allem bei den Medizinern scheint es ein weit verbreitetes Phänomen zu sein, innerhalb seines Studienreviers nach potentiellen festen Partnerschaften Ausschau zu halten. Denkt man an seinen Bekanntenkreis, fallen einem zahlreiche Beispiele ein, wo beide Partner aus dem medizinischen Bereich kommen. Das hat oft seine Vorteile. Zum Beispiel mehr Verständnis füreinander und den stressigen Arztalltag. Doch gibt es nicht viel mehr Bereicherung, wenn in einer Beziehung beide etwas Unterschiedliches machen? Drei Medizinstudentinnen berichten über ihre Erfahrungen.
Dass interdisziplinäre Liebe große Vorteile mit sich bringt, kann Jacqueline Harfst berichten. Sie studiert im sechsten Semester Medizin in München und hat sich den Sportwissenschaftler Kevin geangelt. Jacqueline schwärmt von der Beziehung zu Kevin: „Es ist einfach super, mit einem Nichtmediziner zusammen zu sein. Dadurch, dass Kevin studiumsbedingt deutlich mehr Zeit als ich hat, musste ich zum Beispiel während der Physikumslernerei so gut wie nie selbst kochen. [...] Und wenn ich mal wieder besonders spät aus der Uni heimkomme, dann steht garantiert was zum Essen auf dem Tisch.“ Doch es gibt noch mehr gute Seiten: „Wenn ich im Stress bin, ist er es meistens nicht. Auch das ist sehr schön, weil er für mich so ein bisschen eine Oase der Ruhe ist. Er hat da auch wirklich viel Verständnis für mich, das ist auch nicht selbstverständlich.“ Und auch das Thema Medizin kann in Jacquelines Beziehung mal außen vor sein: „Wenn man mit Medizinern unterwegs ist, kommt man früher oder später immer auf medizinische Themen zu sprechen. Ich finde es sehr schön, dass in meinem Leben einfach ein kleiner Bereich reserviert ist, der sich nicht um Famulaturen, Doktorarbeiten, Fachsimpeln oder Böse-OP-Schwestern-Katastrophenberichte dreht.“
Doch Jacqueline weiß, es gibt auch Schattenseiten bei so einer interdisziplinären Beziehung: „Eigentlich sind fast alle Vorteile gleichzeitig auch Nachteile. Da ich zum Beispiel deutlich seltener Zeit habe, kommt es hin und wieder auch zu Meinungsverschiedenheiten, zum Beispiel, was Urlaub betrifft (den er gern machen würde, ich aber schlichtweg nicht machen kann). Es ist auch nicht gerade angenehm, wenn der andere drei Monate Semesterferien hat, mit seinen Freunden die Welt entdecken fährt und man selbst im Labor vergraben ist und nebenbei noch Praktika/Famulaturen ableisten darf. Aber das ist für uns beide schwer, nicht nur für mich.“ Ein anderer Wermutstropfen liegt für sie in der Frage des Wohnortes: „Bei uns gibt es auch diesbezüglich ab und an Differenzen – klingt komisch, ist aber so. Er kann sehr viel von zu Hause aus arbeiten, darum ist es ihm eher wichtig, viel Platz zu haben und ein bisschen Grünfläche um sich herum. Dann fährt er auch gerne mal ein bisschen länger Bahn. Bei mir ist das anders, ich würde mich am liebsten mitten in München niederlassen, sodass ich meine knapp bemessene freie Zeit nicht auch noch mit täglichem Pendeln verschwenden muss. Darum sehen wir uns im Moment auch eigentlich nur am Wochenende, wenn ich nach Hause fahre.“
Diese quasi Fernbeziehung ist natürlich auch der vielen Auswendiglernerei im Medizinstudium geschuldet. Doch Jacqueline hat Glück, ihr Partner zeigt zumindest einigermaßen Verständnis für aufwändige Lernzeiten: „Rational gesehen kommt er gut damit klar. Emotional gesehen, fällt es ihm jedoch manchmal schwer, damit umzugehen. Wobei man auch dazu sagen muss: Es ist weniger das Lernen, das ihn stört, als vielmehr die Tatsache, dass ich tatsächlich sehr oft abwesend bin. Beim Lernen können wir nebeneinander auf der Couch liegen, das ist dann okay. Aber wenn ich eine Famulatur mache, im Labor bin oder lange Uni habe, dann bin ich eben nicht da. Und damit hat er schon zu kämpfen, weil er selbst einfach viel mehr Freizeit hat.“ Dennoch versuchen beide, so gut wie möglich die knappe Zeit von Jacqueline gemeinsam zu verbringen. „Das Wochenende gehört ihm. Ausnahmen gibt es nur, wenn ich wirklich dringend lernen muss, aber selbst während der Klausurphasen halte ich mir den Samstag und den Sonntag eigentlich immer frei, beziehungsweise ‚verschwende‘ nur wenige Stunden mit der Uni. Am Anfang hat ihm das nicht gereicht, aber ich habe ihm klargemacht, dass meine Zeit nun einmal begrenzt ist und er sich jemanden mit mehr freier Zeit suchen muss, wenn ihm das nicht passt.“ Jacqueline und Kevin.
Ein Beispiel für ein klassisches Medizinerpärchen liefert dagegen Christiane Peschel, die im vierten Semester in München studiert. Sie war länger mit dem Mediziner Max zusammen. Kennengelernt haben sie sich in ihrer Erstsemester-Gruppe, wie auch wahrscheinlich viele angehende Ärzte zuvor. Christiane erklärt den Vorteil von Mediziner-Paaren so: „Zunächst einmal hat man mehr Verständnis füreinander. Der Andere weiß genau, wie viel man lernen muss, wie groß der Leistungsdruck ist, wie stressig die Staatsexamina sind und wie unberechenbar später mal die Arbeitszeiten und Überstunden sein werden. Da Max im selben Semester wie ich war, musste er genau dasselbe lernen. Das heißt, es gibt weniger Zeitstress und man sieht sich oft in Vorlesungen oder auch in Seminaren und Praktika. Man hat zur selben Zeit frei und man kennt oft dieselben Leute, mit denen man viel unternehmen kann. Es gibt also auch kein: „Ich muss dir meine Freunde noch vorstellen-Ding.“ Doch es gibt noch weitere Vorteile: „Wenn man über „Medizinerzeug“ redet, dann winkt der Partner nicht genervt ab, sondern weiß genau, um was es geht. Und da wir ja beide Medizin studieren, war es für uns beispielsweise auch kein Problem sexuelle, intime Dinge trocken zu bereden.“
Dennoch gibt es natürlich auch oft einen Haken an einer solchen reinen Mediziner-Beziehung: „Bei mir war das so, dass Max und ich zwei komplett unterschiedliche Lerntypen sind. Das heißt, wir konnten eigentlich nie richtig zusammen lernen. Ich bin eher die ehrgeizige Lernerin und er geht das eher entspannt an. Max war also oft bei Nachholklausuren dabei, was ihn persönlich nicht störte. Nach dem Motto: „Man kommt ja doch auf den letzten Drücker durch“. Ich konnte das nicht nachvollziehen und seine Arbeitseinstellung hat mich wahnsinnig gemacht. Dadurch kam es dann oft auch zu der oben angesprochenen Zeitproblematik. Es ist sozusagen Fluch und Segen zugleich, wenn der Partner weiß, was man alles lernen muss. Eigentlich ist das Lernen eine persönliche Angelegenheit und jeder geht das anders an, nur wenn es dieselbe Thematik ist, dann führt das, meiner Meinung nach, noch schneller zu Unstimmigkeiten, als wenn der Partner etwas anderes studieren würde und sich mit der Thematik nicht auskennt.“ Doch das ist oft nicht das einzige Problem: „In meinem Fall gingen unsere zukünftigen Ziele auseinander. Max will nach dem Studium in die Heimat zurück und dort Hausarzt werden. Ich möchte [...] erst einmal in der Welt rumkommen, eine Zeit lang ins Ausland und danach mal sehen, wohin es mich zieht.“
Lena aus Murnau, die im neunten Semester Medizin studiert, hat ihre Traumbeziehung mit Simon gefunden. Er ist kein Mediziner, sondern studiert Maschinenbau. Die beiden lernten sich über eine Mitbewohnerin kennen. Und damit auch die Vorteile einer gemischtfachlichen Partnerschaft: „[...] Wenn wir uns doch mal über medizinische Themen unterhalten, kann ich gleich üben, patientenverständliches Deutsch zu reden, Fachwörter möglichst zu vermeiden und Zusammenhänge so zu erklären, dass sie auch ein Laie versteht. Außerdem gibt es bei uns auch keinen ‚Vergleich‘ bei Bekanntwerden der Klausurnoten bzw. keine ‚Konkurrenz‘ zwischen uns.“ Und Simon musste schon oft als Versuchskaninchen herhalten: „Um Untersuchungstechniken zu üben, ist Simon immer der Erste, an den ich mich wende. Und ich denke, er hat dabei auch ein bisschen Spaß“. Doch auch Lena kennt die Nachteile einer solchen Beziehung gut: „Wir haben selten bis so gut wie nie gleichzeitig frei. Simon hat entweder die meiste Zeit der Semesterferien Prüfungen oder muss Bachelor-, Semester- oder Masterarbeit schreiben und ich muss in den Semesterferien Famulaturen und Doktorarbeit unterbringen.“ Lena und Simon. Dafür hat ihr Partner aber auch vollstes Verständnis für Lenas Lernzeit: „Ihm macht das gar nichts aus, ganz abgesehen davon, dass er selber fast genauso viel Zeit für die Uni aufwendet. Wenn er sich bei mir beschwert, dann eher, weil er besorgt ist, dass ich zu wenig auf mich achte und zu viel lerne, und weniger, weil er findet, dass ich zu wenig Zeit für ihn habe.“ Da die beiden nicht weit voneinander entfernt wohnen, sehen sie sich oft abends nach getaner Arbeit und sind damit vollauf zufrieden. Und es hat auch sein Gutes, mit einem Maschinenbauer zusammen zu sein: „Simon fragt mich oft Sachen, an die ich noch nie gedacht habe. Das ist meistens ein guter Anstoß, um Sachen nachzulesen, die über den Vorlesungsinhalt oder Klausurstoff hinausgehen. Außerdem erinnert er mich durch seine Denkweise immer wieder daran, kritisch zu bleiben, Zusammenhänge zu hinterfragen und nicht nur Vorlesungsfolien auswendig zu lernen.“