Stellt euch vor, es gäbe eine Möglichkeit, einen Menschen innerhalb von wenigen Sekunden auf SARS-CoV-2 zu screenen. Unmöglich? Ein beteiligter Wissenschaftler erklärt uns, wie das Hunde-Corona-Projekt funktioniert.
Die Arbeitsgruppe um Prof. Holger Volk von der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) veröffentlichte nun erste Ergebnisse einer Studie über Hunde, die SARS-CoV-2-infizierte Menschen erschnüffeln können. Das Forschungsprojekt ist eine Kooperation der Klinik für Kleintiere mit dem Research Center for Emerging Infections and Zoonoses (RIZ) der TiHo, der Bundeswehr, der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und dem Universitätsklinikum Eppendorf (UKE).
Bei den Hunden handelt es sich um spezialisierte Spürhunde der Bundeswehr, die auf das Erkennen und Wiedererkennen von Gerüchen trainiert sind. Nach einem gerade mal einwöchigen spezifischen Training konnten sie SARS-CoV-2-positive Speichel- und Tracheobronchialsekretproben während der 1.012 Probenpräsentationen mit einer Sensitivität von 83 Prozent und einer Spezifität von 96 Prozent identifizieren.
Die DocCheck News sprachen mit Dr. Sebastian Meller, Co-Autor des Papers, über das spannende Projekt.
DC News: Herr Dr. Meller, um was für Proben handelte es sich bei den Speichel- und Tracheobronchialsekretproben?
Meller: Am Anfang war es nicht leicht, Kooperationspartner für die Bereitstellung der Proben zu bekommen, deshalb waren wir sehr dankbar, dass sich das UKE und die MHH – natürlich unter Zustimmung der Probanden – dazu bereit erklärt haben, unser Vorhaben zu unterstützen. Unsere Proben stammen von stationären Patienten dieser beiden Kliniken. Dadurch können wir das Wiedererkennen eines „individuellen Krankenhausgeruchs“ von den Hunden weitestgehend ausschließen. Die Negativ-Proben stammen von unterschiedlichen SARS-CoV-2-negativen Probanden aus verschiedenen Bundesländern.
Wie lief das Auswahlverfahren für die Proben ab?
Die Patienten, von denen die Proben stammten, wurden vorher per RT-PCR auf SARS-CoV-2 getestet. Bei einem positiven Befund haben sie dann eine Speichelprobe abgegeben. Diese wurden dann an der TiHo erneut per PCR getestet und weiter prozessiert. Unter anderem mussten die Proben inaktiviert werden, bevor wir sie den Hunden zum Training und Testen geben konnten, um die Sicherheit der beteiligten Menschen, wie z. B. der Hundeführer und Trainer, aber auch die der Hunde zu gewährleisten. Dazu ist noch zu erwähnen, dass natürlich auch die negativen Proben diesen chemischen Inaktivierungsprozess durchlaufen haben, um eine Verfälschung hierdurch auszuschließen.
Warum haben Sie ausgerechnet Speichelproben verwendet?
Für Speichelproben haben wir uns entschieden, weil dort die Viruslast einige Tage nach Beginn der Symptome sehr hoch ist – im Vergleich zum Urin, wo die Viruslast erst im späteren Verlauf der Infektion ansteigt. Außerdem lassen sich Speichelproben leicht gewinnen.
Wurden außer dem Status „positiv“ noch andere Informationen über die Probanden erhoben? Wie, zum Beispiel, in welchem Krankheitsstadium sie waren, das Geschlecht oder die Blutgruppe?
Bisher ging es uns erst einmal um die Zuordnung: SARS-CoV-2-negativ oder -positiv. Im Weiteren wollen wir aber auch schauen, ob die Hunde in der Lage sind, die Unterschiede zwischen schweren und leichten Verläufen zu erkennen.
Sie sprechen in Ihrer Publikation von volatilen Stoffen, die die Hunde riechen können. Um was für flüchtige Verbindungen handelt es sich? Sind sie spezifisch für SARS-CoV-2?
Wir wussten aus der Literatur, dass das Erkennen von Erkrankungen durch Hunde, z. B. bei Malaria, möglich ist. Wir gingen aber recht schnell davon aus, dass hier nicht Erreger-Partikel an sich detektiert werden. Bei einer Infektion muss der Körper also spezifische Geruchsstoffe absondern, die vom Hund erkannt und unterschieden werden können. Wir können noch nicht genau sagen, welche Stoffe dort erkannt werden. Die Literatur deutete aber immer mehr auf sogenannte volatile organische Stoffe hin. Es gibt erste vielversprechende Forschungsansätze, die zeigen, dass sich diese volatilen organischen Stoffe, die vom Körper bei einer Infektion abgesondert werden, durchaus spezifizieren lassen und sich auch von anderen viralen oder bakteriellen Erkrankungen unterscheiden.
Das heißt, Sie vermuten, dass manche dieser Verbindungen nur von einem mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen produziert werden?
Wir denken eher, dass die Menge und Zusammensetzung dieser Substanzen für das Virus einzigartig ist. Im weiteren Verlauf des Projektes werden wir versuchen, diese Stoffe zu charakterisieren und auch weiter zu quantifizieren. Unser Ziel ist es, am Ende ein ganz spezifisches Profil dieser volatilen Stoffe für eine SARS-CoV-2-Infektion vorliegen zu haben. Anhand dieses Profils können wir dann auch feststellen, wie die Hunde eine Infektion genau erkennen.
Video: Training der Hunde mithilfe einer speziellen Randomisierungs-Maschine
Hunde werden auch als Assistenz in anderen medizinischen Bereichen eingesetzt, beispielsweise bei Diabetikern oder Epileptikern. Wie viel ist darüber bekannt, was genau die Hunde da riechen?
Das ist richtig. Bei Epileptikern kann vom Hund ein Anfall des Menschen antizipiert werden. Hierbei spielt die Atemluft eine große Rolle und genauer der Sauerstoffgehalt der Ausatemluft.
Bei Diabetikern werden ebenfalls in der Atemluft metabolische volatile Substanzen erkannt, die auf eine Unterzuckerung hinweisen.
Sie haben jetzt mit der Identifikation einer SARS-CoV-2-Infektion ein weiteres Einsatzgebiet für solche Spürhunde gefunden. Welche Anwendungsgebiete könnten Sie sich hier vorstellen?
Speziell trainierte Hunde könnten zu diesen Zwecken überall eingesetzt werden, wo große Menschenmengen durchgeschleust werden, wie z. B. an Eingängen von Flughäfen oder auch bei Großveranstaltungen wie Konzerten. In Dubai werden Hunde jetzt schon am Flughafen eingesetzt, um Infizierte anhand ihres Schweißes zu erkennen.
Wie geht es nun weiter mit diesem Projekt?
Im Verlauf sind wir auf jeden Fall auf weitere Proben angewiesen, um mit dem Projekt voran zu kommen, da bisher die Probenbeschaffung einer der limitierenden Faktoren war. Wir forschen auch gerade an einer alternativen Möglichkeit, die Proben für die Testung zu inaktivieren, z. B mit physikalischen statt chemischen Methoden. Wichtig ist natürlich, die für die Erkennung ausschlaggebenden Substanzen nicht zu zerstören oder abzuschwächen.
Welche Reaktionen wünschen Sie sich auf Ihre Ergebnisse?
Das ganze Projekt ist generell eine tolle Chance, um zu zeigen, was der Geruchsinn des Hundes alles leisten kann und wie Hunde uns Menschen – die ja stark visuell geprägt sind – eben auch mit ihren besonderen Fähigkeiten unterstützen können. Auch der interdisziplinäre Aspekt – also die Zusammenarbeit von Human- und Veterinärmedizinern – zeigt meiner Meinung nach den richtigen Weg für die Zukunft der Forschung und Diagnostik, gerade auch im Hinblick auf Viruserkrankungen, auf.
Die Publikation von Sebastian Meller und seinem Team findet ihr hier.
Bildquelle: Hannah Gibbs, unsplash