Gegen Krebs versichern? Das klingt erstmal beruhigend. Was aber taugt so eine Versicherung? Wir haben uns das Kleingedruckte genauer angesehen.
„Wenn du an Krebs erkrankst, gerät dein Leben durcheinander“ – mit solch emotionalen Aussagen locken Versicherungen potenzielle Patienten.
Vor allem über Social Media werben Unternehmen sehr häufig für Krebsversicherungen. Auch das folgende Beispiel zeigt, dass hier gezielt Emotionen angesprochen werden. Da heißt es: „Denn die Diagnose Krebs hat Auswirkungen auf Ihr ganzes Leben. Damit es Sie nicht unvorbereitet trifft […], sind wir für Sie da.“
Screenshot DocCheck
Kommt es dann zu einer Krebsdiagnose, zahlt die Versicherung bis zu 100.000 Euro. Verbraucherschützer sind trotzdem alarmiert „Das ist ein Geschäft mit der Angst“, sagt Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Er bezeichnet diese Art der Versicherungen als „reine Geldmacherei“. In vielen Fällen würde die Versicherung nicht zahlen, weil etwa gutartige Tumoren oder Vorstufen von Krebs nicht abgedeckt sind.
Stimmt das? Wir haben mit Elke Weidenbach gesprochen. Sie ist Rechtsanwältin und Referentin für Versicherungen bei der Verbraucherzentrale NRW.
Vom Konzept, nur bestimmte Erkrankungen abzusichern, hält Weidenbach wenig. So eine Versicherung gebe nur punktuellen Schutz und eben diese einmalige Zahlung. Weidenbach nennt als wichtigste Beispiele Policen zur Absicherung von Krankheiten wie Krebs, Multipler Sklerose, Leber- und Lungenerkrankungen, Arthritis oder Schlaganfall. Ein Blick auf die Details.
Versicherte zahlen im Monat nur wenige Euro, je nach Alter und Risikoprofil können es auch bis zu 30 oder 40 Euro im Monat sein. Dennoch bleibt die Summe überschaubar. Sie erhalten bei einer späteren Krankheitsdiagnose zweckungebunden beispielsweise 50.000 bis 100.000 Euro als Einmalzahlung.
Höhere Summen bei größeren monatlichen Zahlungen sind möglich. Psychische oder orthopädische Erkrankungen – sie gelten als häufigste Ursachen einer Erwerbsminderung – sucht man meist vergebens. Hinzu kommt: Alle Ausschüttungen müssen versteuert werden.
Wie so oft in der Branche formulieren Anbieter diverse Klauseln und Ausschlusskriterien. Ob jemand die allgemeinen Geschäftsbedingungen liest, ist ohnehin fraglich. Sie dann als medizinischer Laie zu verstehen, erscheint als Ding der Unmöglichkeit.
Dazu ein Blick in die Bedingungen des Unternehmens Getsurance. Bei diesem Versicherer handelt es sich um ein Berliner Unternehmen, das mit schnellen und unkomplizierten Krebsversicherungen ganz ohne Papierkram wirbt. Getsurance zahlt nur bei malignen, nicht aber bei benignen Tumoren beziehungsweise Vorstufen. Beispielsweise werden Carcinoma in situ, sprich Frühstadien eines epithelialen Tumors, ausgeschlossen.
Generell ist Krebs durch den Pathologiebericht eines Facharztes nachzuweisen. Neben soliden Tumoren schüttet die Versicherung Geld ebenfalls bei Leukämien, Lymphomen und bei Morbus Hodgkin aus.
Doch genau hier beginnen die nächsten Einschränkungen. Bei Krebs mit Ursprung im Knochenmark, etwa Leukämien, gibt es nur Geld, falls es dadurch zur Anämie gekommen ist – oder falls mindestens zwei Lymphknoten-Regionen befallen worden sind.
Und Melanome führen nur zur Ausschüttung, wenn sie mehr als zwei Millimeter in die Haut eingedrungen sind. Andere Hautkrebsformen, etwa Basaliome, führen zu keinem Leistungsanspruch.
Die Hanse-Merkur schließt in ihren AGBs zu Krebsversicherungen ebenfalls Basaliome und Spinaliome aus. Gleiches gilt für prämaligne Vorstufen, nicht-invasive Tumorformen sowie Neubildungen unsicheren und unbekannten Verhaltens.
Bei der Tarifoption „CD“ muss ein Tumor nach der TNM-Klassifikation mindestens die Größe T2 aufweisen und zu Lymphknoten- oder Fernmetastasen geführt haben. Speziell bei Gehirntumoren wird der Tumorgrad 2 gemäß der WHO gefordert.
Und bei Leukämien gibt es nur Geld, falls eine Anämie dadurch aufgetreten ist. Morbus Hodgkin und Non-Morbus Hodgkin-Lymphome müssen mindestens der Klasse 2 gemäß der Ann-Arbor-Klassifikation angehören.
All diese Klauseln erfordern ein tiefes onkologisches Verständnis – kaum ein Laie wird diese Begriffe bewerten können.
„Diese Dread-Disease-Police (also eine Versicherung für eine schlimme Erkrankung) wird auch als Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) angepriesen, obwohl sie keine Alternative darstellt“, sagt Weidenbach klipp und klar. Denn nur bei der tatsächlich genannten Erkrankung hätten Versicherte Ansprüche. „Ob man seinen Beruf noch ausüben kann oder nicht, ist dabei unerheblich.“
Vom Konzept, nur bestimmte Erkrankungen abzusichern, hält Weidenbach recht wenig, denn es gebe eben nur punktuellen Schutz und die einmalige Zahlung. „Besser ist es, eine Versicherung abzuschließen, die alle Krankheiten und Unfälle, durch die man seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, umfasst – also eine Berufsunfähigkeitsversicherung.“
Als Ergänzung empfiehlt sie Krankentagegeld- oder Zusatzversicherungen bei stationärer Behandlung, je nach Präferenz. „Diese Policen gelten dann für alle Krankheiten“, so die Expertin.
Um das herauszufinden, haben wir die Community in einem Aufruf befragt. Hier die Antworten:
„Ich halte das für eine perfide Geldschneiderei“, sagt ein Internist zu den Dread-Disease-Policen. „Da wird mit Ängsten gespielt.“ Und ein Krankenpfleger ergänzt: „Da wird das Kleingedruckte erst interessant und offenbart, wann überhaupt gezahlt wird – oder auch nicht.“
Eine Ingenieurin sieht durchaus Berechtigung für die Produkte am Kapitalmarkt: „Für Menschen, die keine Erwerbsunfähigkeit regulär abschließen können, ist das eine Alternative, wenn auch kein Allheilmittel.“
Bildquelle: Mael BALLAND, unsplash