Währungseffekte beflügeln Deutschlands Industrie – viele Firmen schlossen das zweite Quartal mit sehr guten Ergebnissen ab. Pharmazeutische Hersteller sind ebenfalls unter den Gewinnern, wie neue Halbjahresbilanzen zeigen. Am Horizont ziehen jedoch Gewitterwolken auf.
Jubelstimmung in den Chefetagen: Deutschlands Konzerne blicken auf ein erfolgreiches Quartal zurück. Von April bis Juni hat sich der Umsatz aller Dax-Unternehmen um elf Prozent auf 335 Milliarden Euro erhöht – ein Rekordwert. Analysten zufolge gilt der schwache Euro als wesentlicher Motor des Umsatzes: Einerseits werden Produkte auf dem Weltmarkt billiger. Andererseits fallen Einnahmen in anderen Währungen nach der Umrechnung höher aus. Pharmazeutische Hersteller profitieren immens von dieser Entwicklung. Zwei Beispiele aus dem Bereich Pharma:
Boehringer Ingelheim freut sich im ersten Halbjahr über ein Umsatzplus von 13 Prozent, was in Summe zu 7,4 Milliarden Euro geführt hat. Ohne Währungseffekte legten die Umsätze nur um zwei Prozent zu. Vor wenigen Monaten klagte Professor Dr. Andreas Barner, Vorsitzender der Unternehmensleitung: „Die Umsatzentwicklung stellt uns nicht zufrieden.“ Man habe sich beim Gerinnungshemmer Pradaxa® mehr Umsatz gewünscht. Jetzt herrscht mehr Zufriedenheit, was noch andere Gründe hat: Einige Neuzulassungen gelten als vielversprechend. Darunter befinden sich Giotrif® (Afatinib) zur Therapie von Lungenkrebs. Patienten mit Typ-2-Diabetes in der EU profitieren von Synjardy® (Empagliflozin plus Metforminhydrochlorid). In den USA gilt Glyxambi® (Empagliflozin plus Linagliptin) als vielversprechend.
Kein Einzelfall: Ähnliche Effekte des schwächelnden Euro zeigen sich bei Halbjahresbilanzen der Merck KGaA. Hier ist von 15 Prozent mehr Umsatz die Rede, was zu insgesamt 6,3 Milliarden Euro geführt hat. Bereinigt man Einflüsse des schwachen Euro, bleiben noch 1,8 Prozent. Ohne Währungseffekt ist der Umsatz bei Rebif®, einem Interferon-beta-1a, nach unten gegangen. Rebif® wird injiziert – nur haben Konkurrenten mehr und mehr hochwertige orale Antirheumatika entwickelt. Weitere Einbrüche vermeldet der Darmstädter Konzern bei Erbitux®, einem monoklonalen Antikörper gegen den Epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR). Neue Impulse erhofft man sich vom Kauf des US-amerikanischen Laborzulieferers Sigma-Aldrich.
Ein weiterer Effekt: Für pharmazeutische Hersteller wie Merck wird China immer interessanter. Zum ersten Juni hat die Entwicklungs- und Reformkommission Preisvorgaben für etliche Medikamente gekippt. Bislang galten staatliche Vorgaben. Die Kehrseite der Medaille: Analysten verfolgen die Konjunkturentwicklung mit großer Sorge und sprechen bereits von einer „Wachstumsdelle“. Konzerne, die sich in China stark engagieren, werden entsprechende Folgen früher oder später zu spüren bekommen.