Arzneimittel und deren Stoffwechselprodukte werden im Abwasser zum immer größeren Problem, berichtet die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU). Experten fordern jetzt, neue Techniken der Aufbereitung einzusetzen, aber auch pharmakologisch umzudenken.
Klappe zu, Pille weg: Umfragen zufolge entsorgt jeder zweite Bürger Flüssigarzneimittel über die Toilette oder die Spüle. Apotheker versuchen schon seit Jahren, auf den Hausmüll hinzuweisen – mit mehr oder minder großem Erfolg. Patienten trauern eher früheren Zeiten nach, als sie ihre Reste noch zur Apotheke bringen konnten. Hinzu kommen nicht vermeidbare Wege des Eintrags von Chemikalien, etwa durch Urin und Stuhl. Beim Duschen gelangen speziell Dermatika in die Kanalisation.
Kein Wunder, dass Wissenschaftler in Wasserproben aus rund 70 Ländern mehr als 500 verschiedene Arzneimittel und deren Abbauprodukte nachweisen konnten – allein in Deutschland sind es 150. An der Spitze stehen Antibiotika, Analgetika, Antidepressiva, Hormone und Hypertensiva. In ihrem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht fordert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), hier gegenzusteuern. Das beginnt mit Fragen zur Wirkung in aquatischen Systemen. Noch haben Biologen nicht alle Auswirkungen verstanden. Ihnen fehlen vor allem Daten zu langfristigen Folgen.
Auch bei der Entwicklung neuer Präparate sollte DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann zufolge stärker auf die Nachhaltigkeit geachtet werden. Gelingt es beispielsweise, über Techniken wie das „drug targeting“ Pharmaka nach der systemischen Gabe am Ort des Geschehens anzureichern, lassen sich unnötige Ausscheidungen zumindest reduzieren. Eine Alternative: Moleküle, die im Körper zu harmlosen Bausteinen umgesetzt werden. So arbeiten Wissenschaftler am Institut für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie der Leuphana Universität Lüneburg an leichter hydrolysierbaren Ciprofloxacin-Derivaten. Das Ausgangsmolekül selbst erweist sich als besonders stabil und problematisch. Auch ansonsten fordert Bottermann, die Dosierung so zu gestalten, dass möglichst geringe Mengen in die Umwelt gelangen – ein wichtiges Thema speziell bei Antibiotika.
Kliniken stehen vor größeren Herausforderungen. Manche Schadstoffe liegen in 100-fach erhöhten Konzentrationen vor, verglichen mit häuslichen Abwässern. Das Fraunhofer Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) und der AWAS GmbH ist es gelungen, Abhilfe zu schaffen. Eine Kombination aus Aktivkohle- und Membranfiltern hat sich als erfolgreich erwiesen. Damit konnten Forscher Carbamazepin-haltige Abwässer mit mehreren Milligramm des Wirkstoffs pro Liter reinigen – in der Praxis liegt die Belastung eher im Nanogramm-Bereich. Aktivkohle-Filter werden nach deren Sättigung verbrannt.