Das variable Immundefektsyndrom (CVID) ist hauptsächlich durch die ungenügende Produktion von Antikörpern gekennzeichnet. Mutationen im Gen NFKB1 (NF-kappaB1), die zu einer sogenannten Haploinsuffizienz führen, sind für die CVID-Entstehung verantwortlich.
Das variable Immundefektsyndrom (CVID) umfasst eine heterogene Gruppe von Erkrankungen des Immunsystems. Eine Arbeitsgruppe um Dr. Fliegauf und Prof. Dr. Bodo Grimbacher, Wissenschaftlicher Direktor am Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) des Universitätsklinikums Freiburg, arbeitet an der Identifizierung von molekularen Mechanismen, die zur verminderten Antikörperproduktion führen. Die neuen Sequenziertechnologien zeigen, dass in den Genen von CVID betroffene Patienten eine von zwei Allelen dieses für viele Prozesse zentralen NFKB1-Gens (NF-kappaB1) zerstört ist. Die zuerst entdeckte Mutation liegt in dem nicht-kodierenden Intron, ein Teilstück der mRNA, das den genetischen Code der DNA im Zellkern abliest und zu den Ribosomen transportiert, die anhand der Informationen Proteine herstellen. Beim Ablesen des DNA-Codes werden zunächst mRNA-Teilstränge gebildet, die aus Exons und Introns bestehen. Nur die Exons enthalten wichtige Genabschnitte für die Proteinherstellung, daher werden bei der Verbindung der einzelnen Teilstränge die Introns entfernt und nur die Exons zu einem einzigen mRNA-Strang zusammengefügt. Die Mutation führt dazu, dass eines der Exons nicht mehr als solches erkannt wird, und dem kodierten Protein letztlich ein internes Fragment fehlt. Das mutierte NF-kappaB1-Protein wird aber unmittelbar wieder eliminiert, kann also selbst eigentlich keinen Schaden anrichten. Das Resultat bezeichnet man als Haploinsuffizienz, da das Protein, das vom nicht-mutierten Allel produziert wird zwar völlig normal funktioniert, es aber insgesamt nur halb so viel davon gibt. Dies reicht im Fall von NF-kappaB1 eben nicht aus, um die Funktion des Immunsystems zu gewährleisten.
„Es war wahrlich Detektivarbeit herauszufinden, dass im NFKB1-Gen Mutationen vorkommen, die zu Haploinsuffizienz führen und dadurch für den variablen Immundefekt verantwortlich sind“, so Dr. Fliegauf. „Dass wir die Ergebnisse von verschiedenen Kontinenten in einer Publikation zusammenführen konnten, war für diese Studie und für das bessere Verständnis dieses Immundefekts ungemein wichtig“. Auffällig für diese Form der Krankheitsentstehung durch Haploinsuffizienz, bei der immerhin 50 Prozent des normalen Genproduktes völlig funktionsfähig sind, war die sehr variable Ausprägung des Krankheitsbildes unter den Mutationsträgern innerhalb derselben Familie. Während am CCI in Freiburg eine zweite CVID-Familie mit einer weiteren NFKB1-Mutation in einem nicht-kodierenden Gen-Abschnitt identifiziert wurde, konnte in Neuseeland bei einer dritten Familie mit der Erbkrankheit ein NFKB1-Defekt – hier jedoch in einem kodierenden Gen-Bereich – festgestellt werden. In allen drei Familien wirkt sich der NFKB1-Defekt in analoger Weise durch Haploinsuffizienz aus. Originalpublikation: Haploinsufficiency of the NF-kB1 Subunit p50 in Common Variable Immunodeficiency Manfred Fliegauf et al.; The American Journal of Human Genetics, doi: 10.1016/j.ajhg.2015.07.008; 2015