Für einen optimalen Datenfluss im Gehirn ist nicht nur die Übertragung von Informationen wichtig, sondern auch ihre gezielte Hemmung. Selbst einzelne hemmende Synapsen können die Signalverarbeitung maßgeblich mit einer Präzision von wenigen Millimetern in ihrer Amplitude beeinflussen.
Unser Denken, Handeln und Fühlen, aber auch unsere Organ- und Körperfunktionen werden durch die synaptische Informationsweitergabe im Gehirn gesteuert – in jeder Sekunde sind es viele Billiarden Impulse. Damit dieser enorme Datenstrom in geregelten Bahnen läuft, gibt es erregende Synapsen, die Informationen zwischen Zellen weitergeben, und hemmende Synapsen, die den Informationsfluss eingrenzen und verändern. Wie wichtig auch das Unterdrücken unerwünschter Signale ist, zeigt sich unter anderem, wenn die Funktion der hemmenden Synapsen gestört ist: Es kommt zu einer überhöhten Erregung im Gehirn, wie sie zum Beispiel bei Epilepsie zu sehen ist. Doch auch um zu lernen, oder sich zu erinnern, braucht das Gehirn Nervenzellen, die die Aktivität anderer Nervenzellen regulieren. Die meisten dieser hemmenden Synapsen docken an Dendriten an. Welche Wirkung diese hemmenden Synapsen jedoch genau haben und wie präzise sie agieren, war bislang nicht erforscht. Hemmende Nervenzellen (grün) können über einzelne Synapsen die Signalverarbeitung in Zellen der Großhirnrinde (rot) modulieren oder blockieren. © MPI für Neurobiologie / Müllner Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie konnten nun in Mäusen zeigen, dass selbst einzelne hemmende Synapsen die Signalverarbeitung in den Dendriten anderer Zellen entscheidend beeinflussen. Die Neurobiologen untersuchten den Einfluss der dendritischen Hemmung auf Nervenzellen im Hippocampus, in dem unter anderem Kurzzeit- in Langzeiterinnerungen umgewandelt werden. Sie konnten beobachten, wie schon einzelne hemmende Synapsen die Stärke und Ausbreitung eines Signals in der gehemmten Nervenzelle erheblich veränderten. Die Ergebnisse zeigen, dass Nervenzellsignale durch hemmende Synapsen mit einer Präzision von wenigen Millisekunden und Mikrometern in ihrer Amplitude reguliert werden können.
Es war bekannt, dass hemmende Nervenzellen eine sehr grundlegende Funktion im Gehirn erfüllen. „Dass aber bereits einzelne hemmende Synapsen eine wichtige Rolle spielen und eine so präzise Wirkung haben, hat uns richtig fasziniert“, erklärt Fiona Müllner, die Erstautorin der gerade erschienenen Studie. Aufbauend auf ihre Ergebnisse konnte mithilfe eines Modells zeigen, wie einzelne hemmende Synapsen sogar die synaptische Plastizität, die Grundlage für Lernen und Gedächtnis, kontrollieren könnten. „Uns interessiert jetzt natürlich ganz besonders, welche Einflüsse eine so präzise Hemmung auf die Speicherung von Information im Nervensystem hat“, fügt Tobias Bonhoeffer hinzu, der mit seiner Abteilung am Max-Planck-Institut für Neurobiologie die Grundlagen der synaptischen Plastizität untersucht. Originalpublikation: Precision of Inhibition: Dendritic Inhibition by Individual GABAergic Synapses on Hippocampal Pyramidal Cells Is Confined in Space and Time Fiona Müllner et al.; Neuron, doi: 10.1016/j.neuron.2015.07.003; 2015