TEIL 2 | Ist Kokosblütenzucker besser als üblicher Haushaltszucker? Und Fruchtzucker der gesündeste Kandidat von allen? Um süße Missverständnisse rund um Glukose und Fruktose geht es im zweiten Teil der Zuckerserie.
Im ersten Teil haben wir euch die unterschiedlichen Zuckerformen namentlich vorgestellt und kategorisiert. Jetzt geht es ins Detail: Diabetesberaterin und Ökotrophologin Dr. Astrid Tombek von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) erklärt, wie unterschiedlich Trauben- und Fruchtzucker sich in unserem Körper verhalten und räumt mit Missverständnissen auf.
Generell gilt: Der Mensch kann nur Monosaccharide verdauen, deswegen werden alle Zwei- und Mehrfachzucker mithilfe von Enzymen in Einfachzucker aufgespalten. Nach der enzymatischen Spaltung der Dimere in Monomere im Magen-Darm-Trakt gelangen Kohlenhydrate in die Leber. Dort werden die Monosaccharide Fruktose und Galaktose zu Glukose umgewandelt.
Werden die Kapazitäten der Verdauung durch einen Überschuss an Monosacchariden überlastet, wandern sie in den Dickdarm und binden dort Wasser. Zwar können sie von Darmbakterien abgebaut werden, doch damit einher gehen häufig Blähungen und Durchfälle, weshalb etwa Laktose auch gezielt als Abführmittel zum Einsatz kommt.
Die Glukose führt zu einem Anstieg des Blutzuckers und in Folge zur Ausschüttung von Insulin. Fruktose erhöht den Blutzuckerwert nicht. Mit Hilfe von Insulin kann sie entweder sofort in der Leber oder peripheren Organen als Energiequelle genutzt werden oder als Glykogen gespeichert und bei Bedarf durch Glukagon wieder mobilisiert werden. Die Fruktose verhält sich also insulinunabhängig, weshalb sie in der Vergangenheit häufig in Diabetiker-Lebensmitteln zum Einsatz kam. Die Verstoffwechselung übernimmt fast ausschließlich die Leber und wird im Gegensatz zur Glukose kaum reguliert.
Und genau das kann zu Problemen führen. „Bei der Verstoffwechselung nimmt die Fruktose hier einen anderen Weg in der Leber. Sie wird aktiv resorbiert, über Transporter aufgenommen und erzeugt Glycerin.“ Erst später kreuzen sich die Wege der beiden Zuckerarten wieder: „Bei üblicher Zufuhr wird ein Großteil der Fruktose in spätere Abschnitte des Glukosestoffwechsels eingeschleust und unterliegt somit erst im weiteren Verlauf den Regulationsmechanismen des Glukosestoffwechsels“, erläutert Tombek. „Hoher Fruktosekonsum geht häufig einher mit zu hohem Triglycerinwert im Blut.“
Hier kann es zu einer Überlastung der Transporter und damit zur Malabsorption kommen. Zu wenige Transporter führen zu Verdauungsproblemen. Auf lange Sicht kann es durch das unphysiologisch hohe Angebot an Fruktose zur Bildung und Akkumulation von Fett in der Leber kommen, sprich einer Fettleber.
„Dass Fruchtzucker besser als Traubenzucker ist, ist ein Irrglaube, der auf der Annahme basiert, dass ein Zucker mit langsameren Weg durch den Körper bzw. niedrigerem glykemischen Index gesünder ist“, so Tombek. Schließlich handle es sich bei der Fruktose um den Glycerinweg. Beim Glukose-Fruktose-Vergleich gibt es also keinen Gewinner, denn beide können bei einem Überangebot im Körper Schaden anrichten.
Auch die Art der Aufnahme macht keinen Unterschied. Ob man etwa Fruchtzucker im Obst oder isoliert zu sich nimmt, ist dem Körper egal. „Natürlich, je mehr gute Nährstoffe ich bei zuckerhaltigen Lebensmitteln mitesse, desto besser. Deshalb ist eine Handvoll Weintrauben besser als ein Würfel Zucker. Trotzdem ist beides Zucker und ein Kilo Weintrauben nicht NUR gesundes Obst“, wie die Expertin betont.
In den meisten Fällen nimmt man dementsprechen selten Einfachzucker in Reinform zu sich. In der Regel enthalten Lebensmittel einen Mix unterschiedlicher Zuckerarten, wie die Tabelle mit Obstsorten deutlich macht.
Mehrfachzucker sind für Konsumenten besonders schwer zu entlarven, weil sie sich hinter Begriffen wie Maltodextrin verstecken. Dabei handelt es sich um die sogenannte Streusüße, von der viele denken, sie sei kein Zucker. Tatsächlich ist Maltodextrin ein Polysaccharid. Zwar entspricht es vom glykemischen Index her eigentlich fast dem Zucker, ist aber eine Stärke. Früher war Maltodextrin unter den Bezeichnungen „Diätzucker“ oder „Backzucker“ bekannt und sehr beliebt bei Diabetikern.
Meist verzehren wir Saccharose. Sie gehört wie andere Zuckerarten zu den Kohlenhydraten und setzt sich aus Glucose und Fruktose zusammen. In diese Kategorie fällt der Haushaltszucker, also der raffinierte weiße Rübenzucker, genau so wie Rohrzucker. Was aber ist mit Kokosblütenzucker, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut?
Vor allem in Reformläden wird dieser braune Zucker mit karamelligem Geschmack und stolzem Preis als gesunde Alternative zu Rübenzucker angeboten. Es handelt sich um den Nektar, also den Saft der Blütenstände der Kokospalme, der eingekocht und kristallisiert wird. Generell gibt es viele Palmen, die zur Herstellung von Zucker verwendet werden, wie zum Beispiel die Zuckerpalme, die Nipapalme oder die Palmyrapalme. In der Regel werden hier Gemische unterschiedlicher Sorten unter dem Namen Palmzucker verkauft.
„Ob man nun Rohrzucker, Rübenzucker, Palmzucker oder Kokosblütenzucker nimmt – es handelt sich immer um Saccharose“, fasst Tombek zusammen. Häufig werben Hersteller auch damit, dass Kokosblütenzucker besonders viele Vitamine und Mineralien im Vergleich zum Haushaltszucker enthalte. Doch man müsste Kilomengen zu sich nehmen, um wirklich zu profitieren – ein Widerspruch in sich.
Das war der zweite Teil der Zuckerserie. Im nächsten Teil geht es um die Fruktose, aber auch um den bedenklichen Vormarsch der Isoglukose.
Hier geht es zum ersten Teil:
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