Immer mehr Menschen ernähren sich vegan. Um sie richtig betreuen zu können, sollten wir Ärzte wissen, worauf es dabei ankommt. Hier spielt Jod eine große Rolle.
Der vegane Ernährungstrend ist auf dem Vormarsch. Laut Marktforschungsumfragen geben ca. eine Million Menschen hierzulande an, aktive Veganer zu sein. Dies bedeutet konkret: kompletter Verzicht auf tierische Produkte wie Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier. Dadurch kann es jedoch zu einer Unterversorgung mit wichtigen Nährstoffen kommen. Dazu zählt beispielsweise Vitamin B12, dessen täglicher Bedarf durch eine rein pflanzliche Ernährung nicht gedeckt werden kann.
Die meisten Veganer sind jedoch darauf sensibilisiert und nehmen entsprechende Supplemente ein. Anders sieht es bei Jod aus. Eine jüngst vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) publizierte Studie legt nahe, dass Veganer trotz reichhaltiger Supplementierung von Mikronährstoffen und Vitaminen einen deutlichen Jodmangel erleiden können. Frühere Studien kamen zu einem ähnlichen Ergebnis1, 2. Der Grund: Jod ist hauptsächlich in tierischen Produkten enthalten.
In der im Mai 2020 veröffentlichten Studie wurden je 36 Veganer und Mischköstler hinsichtlich ihrer Ernährungsgewohnheiten untersucht. Dazu bedienten sich die Forscher zweier Methoden: Einerseits wurden 3-Tage-Wiegeprotokolle durchgeführt, d.h. an drei aufeinander folgenden Tagen haben die Teilnehmer alle verzehrten Lebensmittel mit Hilfe einer vom Studienzentrum zur Verfügung gestellten Waage gewogen und ihre Ernährung protokolliert. Andererseits wurde den Probanden Blut abgenommen und die tägliche Jodausscheidung im 24-Stunden-Urin gemessen. Diese Methode eignet sich gut zur Bestimmung der individuellen Jodversorgung, da rund 90 % des Jods über die Nieren ausgeschieden wird.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die täglich Jodaufnahme gemäß der Wiegeprotokolle bei den Veganern 80 µg betrug während die Mischköstler 120 µg und damit 50 % mehr Jod aufnahmen. Die tägliche Empfehlung zur Jodaufnahme liegt jedoch bei 150 bis 180 µg. Damit lagen zwar beide Gruppen unter dem Referenzbereich, aber der Jodmangel war bei den Veganern stärker ausgeprägt. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bei den laborchemischen Analysen.
So lag die Jodausscheidung im 24-Stunden-Urin in der Gruppe der Veganer bei 28 μg/L, während sie bei den Mischköstlern 74 μg/L betrug und damit rund zwei Drittel höher war. Der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert einen Jodmangel bereits ab weniger als 100 µg/L Jodausscheidung im Urin. Daher waren analog zu den Wiegeprotokollen beide Gruppen unterversorgt, aber die Veganer litten nach WHO-Grenzwerten bereits an einem moderaten Jodmangel (unter 50 µg/L). Bei rund einem Drittel der Veganer lag die Jodausscheidung sogar unter 20 µg/L, was einem schweren Jodmangel entspricht.
Ein chronischer Jodmangel ist gefährlich, da dadurch die Funktion der Schilddrüse beeinträchtigt werden kann. Jod ist essentieller Bestandteil der Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4). Erhalten die Zellen der Schilddrüse zu wenig Jod, schütten sie Wachstumsfaktoren aus, was zur Zellhyperplasie und schließlich zu einem Jodmangel-Struma führt. In der Folge können sich Schilddrüsenknoten entwickeln, d.h. Areale, die entweder zu viel oder zu wenig Schilddrüsenhormone produzieren und in seltenen Fällen auch bösartig sein können.
Die Versorgung mit ausreichend Jod ist besonders wichtig während einer Schwangerschaft. Denn eine Unterversorgung kann mit schweren Fehlbildungen des Fötus einhergehen und zu einem angeborenen Jodmangelsyndrom führen (Kretinismus). Daher sollten Frauen, die sich vegan ernähren, während einer Schwangerschaft unbedingt auf eine optimale Jodsupplementierung achten. Die WHO empfiehlt hier eine tägliche Aufnahme von mindestens 250 µg Jod.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Veganer einen Jodmangel in den Griff bekommen können. Eine einfache Methode ist die Nutzung von iodiertem Speisesalz. Daneben gibt es auch iodierte Öle, Jodtabletten, und teilweise mit Jod angereicherte Lebensmittel. Damit ist eine einfache und effektive Behandlung möglich. Wichtig: Veganer, die das Medikament Levothyroxin zur Behandlung einer Hypothyreose einnehmen, brauchen kein zusätzliches Jod zu supplementieren. Denn ihr Jodbedarf wird bereits durch die extern zugeführten Schilddrüsenhormone gedeckt.
Referenzen:
1. Elorinne, A.-L., et al., Food and Nutrient Intake and Nutritional Status of Finnish Vegans and Non-Vegetarians. PLOS ONE, 2016: p. e0148235.
2. Kristensen, N.B., et al., Intake of macro- and micronutrients in Danish vegans. Nutrition Journal, 2015.
Bildquelle: Scott Warman, Unsplash