Das Protein ROQUIN bindet tausende mRNA-Moleküle und steuert deren Abbau. Es verhindert so die Protein-Produktion in Folge von DNA-Schäden oder zellulärem Stress. Zudem moduliert ROQUIN einen Genschalter, der als Mediator für Entzündungs- und Stressreaktionen fungiert.
ROQUIN (auch bekannt als RC3H1) ist bereits in früheren Studien als RNA-bindendes Protein beschrieben worden, das die Stabilität verschiedener mRNAs beeinflusst. Allerdings war unklar, wie ROQUIN mRNAs erkennt und wie viele mRNAs duch ROQUIN reguliert werden. Das Team um Dr. Yasuhiro Murakawa vom Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max-Delbrück-Centrums konnte zeigen, dass ROQUIN an mehr als 3.800 verschiedene mRNAs bindet. Sie identifizierten insgesamt über 16.000 Bindestellen, an die das Protein andockt. Damit hat ROQUIN offenbar einen größeren Einfluss auf die Regulation der Genexpression als bisher vermutet. Darüber hinaus konnten die Forscher die Bindungsabschnitte von ROQUIN aufklären, die einen Einblick darüber geben, wo Protein-RNA Interaktionen stattfinden.
ROQUIN bindet bevorzugt mRNAs, die als Reaktion auf DNA-Schädigungen aber auch im Rahmen von Entzündungsreaktionen hergestellt werden. Viele der betroffenen mRNAs liefern Baupläne für Proteine, die ihrerseits die Aktivität von Genen beeinflussen und so wiederum die Produktion anderer Proteine regulieren. ROQUIN trägt hier nach Ansicht der Forscher zur Feinabstimmung der Regulationsmechanismen bei. Unter den Zielen, die ROQUIN angreift, ist auch die mRNA des Proteins A20 (auch TNFAIP3 genannt). A20 dient zur Feedback-Kontrolle des IkappaBalpha-Kinase-Komplexes, der die Aktivierung des Genschalters NF-kappaB reguliert. Das IKK/NF-kappaB Modul reguliert die Expression einer Vielzahl von Genen und ist einer der zentralen Mediatoren bei Entzündungsreaktionen und bei zellulären Stressreaktionen, die beispielsweise durch DNA-Schäden ausgelöst werden. Damit das IKK/NF-kappaB Modul nicht dauerhaft aktiv bleibt, sorgt es selbst dafür, dass verstärkt Proteine wie A20 produziert werden, die die Aktivität des IKK/NF-kappaB Moduls verringern. Indem ROQUIN den Abbau der mRNA für A20 reguliert, moduliert es indirekt die Aktivität des IKK/NF-kappaB Moduls.
Die Forscher gehen davon aus, dass die Bedeutung von ROQUIN sogar noch weiter reicht. Auch bei anderen Signalwegen ist anzunehmen, dass ROQUIN die Lebensdauer Protein-kodierender mRNAs verringert und so eine Feinabstimmung ermöglicht. Wichtig sind die Erkenntnisse zum Beispiel, um Autoimmunerkrankungen besser zu verstehen und womöglich zu verhindern. So gilt das Protein A20 etwa als Schutzfaktor gegen Arthritis. Seinen Gegenspieler ROQUIN zu unterdrücken, könnte ein Ansatz zur Behandlung dieser chronischen Gelenkentzündung sein. Originalpublikation: RC3H1 post-transcriptionally regulates A20 mRNA and modulates the activity of the IKK/NF-κB pathway Yasuhiro Murakawa et al.; Nature Communications, doi:10.1038/ncomms8367; 2015