Immer mehr Apotheker reagieren sauer, wenn sie auf die „Pille danach“ angesprochen werden. Der Hintergrund: In den steigenden Verkaufszahlen sehen Gynäkologen den Beweis für die schlechte Beratung durch Pharmazeuten.
Seit 16. März dieses Jahres ist das Notfallkontrazeptivum „ellaone“ (Ulipristal) rezeptfrei erhältlich, seit 15. April auch die „Pidana“ (Levonorgestrel). IMS Health ging der Frage nach, wie sich die abgegebenen Packungszahlen im März und April verändert haben.
Wenig überraschend: Rund 57 Prozent des gesamten Absatzes im März und April 2015 entfallen auf die bevölkerungsreichen Kammerbezirke Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein und Westfalen-Lippe. Bei den Zuwächsen selbst gibt es jedoch Unterschiede. Spitzenreiter ist Hamburg (plus 50 Prozent), gefolgt von Sachsen (plus 38 Prozent), Niedersachsen (plus 36 Prozent), Nordrhein (plus 34 Prozent) und Baden-Württemberg (plus 31 Prozent). „Die Beratungskompetenz der Apotheker dürfte von daher in allen Ländern entsprechend stärker nachgefragt werden“, kommentiert IMS Health. Am Ende der Skala liegt Berlin mit lediglich 16 Prozent Zuwachs. Wie es zu diesen Unterschieden kommt, bleibt offen.
„Ich sehe diese Entwicklung sehr kritisch", sagt Birgit Seelbach-Göbel, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). „Die Zahlen zeigen, dass es keine fachgerechte Beratung gibt.“ Gynäkologen kritisieren, Apotheker würden selten den Zyklusstand abfragen und lieber gleich ein Hormonpräparat abgeben. Bereits Anfang März hatten Verbände kritisiert, in Handlungsempfehlungen der ABDA seien „grundlegende Beratungsinhalte nicht enthalten“. Dazu gehöre die Nachlassende Wirkung bei Frauen mit einem Körpergewicht von mehr als 75 Kilogramm (Levonorgestrel) beziehungsweise mehr als 90 Kilogramm (Ulipristalacetat). Fehlende Hinweise auf die Kupferspirale kämen noch hinzu.
Auf entsprechende Kritikpunkte hat die Bundesapothekerkammer mit umfangreichem Informationsmaterial reagiert. Es gibt Handlungsempfehlungen, einen Vergleich der Eigenschaften von Levonorgestrel und Ulipristalacetat , Informationsquellen zur Notfallkontrazeption sowie das Curriculum: Notfallkontrazeptiva („Pille danach“) in der Selbstmedikation. Dass Apotheker Patientinnen entsprechende Präparate auf Vorrat abgeben, wie manche Medien spekuliert haben, lässt sich aus dem Zahlenmaterial von IMS Health nicht ableiten. Mittlerweile hat sich die wöchentliche Abgabemenge auf 13.000 bis 14.000 Packungen pro Woche eingependelt.