Ewing-Sarkome sind durch eine einzige genetische Treibermutation charakterisiert. Diese alleine scheint nicht auszureichen, um die Tumoren entstehen zu lassen. Eine Suszeptibilitäts-Variante in der Keimbahn-DNA ist daran beteiligt, dass die Mutation ihre volle Wirkung entfalten kann.
Das Ewing-Sarkom ist durch eine einzige genetische Treibermutation charakterisiert, das Fusions-Onkogen EWSR1-FLI1, das durch eine spontane Mutation entsteht. EWSR1-FLI1 alleine scheint aber nicht auszureichen, um die Tumoren entstehen zu lassen. Wie eine spontane somatische Mutation in Tumorzellen und eine angeborene genetische Suszeptibilitätsvariation interagieren und so die Entstehung des Ewing-Sarkoms fördern, hat ein Team um Thomas Grünewald, Leiter des Labors für Pädiatrische Sarkombiologie am Pathologischen Institut der LMU, dokumentiert. Die LMU-Forscher hatten zunächst mittels zielgerichteter Tiefensequenzierung der Keimbahn-DNA von mehreren hundert Ewing-Sarkom-Patienten und Probanden einer gesunden Kontrollgruppe eine detaillierte Karte aller genetischer Variationen in einer zuvor vermuteten genetischen Suszeptibilitäts-Region erstellt. Dabei entdeckten sie, dass eine bestimmte Suszeptibilitäts-Variante in der Keimbahn-DNA von Ewing-Sarkom-Patienten von entscheidender Bedeutung ist, damit die zusätzliche somatische Treibermutation EWSR1-FLI1, die nur in den Tumorzellen vorkommt, ihre volle Wirkung entfalten kann. „Unsere Arbeit ist die erste formale Dokumentation einer spezifischen und direkten Interaktion einer somatischen Treibermutation mit einer krankheitsbegünstigenden Keimbahnvariation“, sagt Thomas Grünewald.
Die Forscher haben durch die Untersuchung der Keimbahnvariationen herausgefunden, dass das Gen EGR2 eine wichtige Rolle beim Wachstum und womöglich bei der Entstehung von Ewing-Sarkomen spielt, da es in entscheidende Signalwege eingebunden ist. EGR2 spielt im embryonalen Alter eine bedeutsame Rolle für die Entwicklung der Gehirn- und Knochenvorläuferzellen, indem es die Zellteilung reguliert. Eine bestimmte Variation in einem regulatorischen Element von EGR2 ist in dem Moment fatal, in dem spontan die Treibermutation EWSR1-FLI1 auftritt: Dann kommt es in den Ewing-Sarkomzellen zur massiven Hochregulation von EGR2 und zum Anschalten eines normalerweise abgeschalteten embryonalen Proliferations- und Stammzellprogramms. Das begünstigt das Auftreten der Erkrankung bei Menschen, die die genetischen Risikovarianten tragen, und fördert eventuell einen aggressiveren Krankheitsverlauf.
Dieser Mechanismus erklärt womöglich auch, warum überdurchschnittlich häufig Kinder und Jugendliche europäischer Herkunft am Ewing-Sarkom erkranken. Mithilfe der Daten aus dem 1000-Genome-Projekt, das das Erbgut von mittlerweile mehreren tausend Menschen umfasst, untersuchten die Forscher die Häufigkeit der entdeckten Variation in verschiedenen Populationen: „Circa 81 Prozent der Europäer tragen mindestens ein Risikoallel in ihrer Keimbahn-DNA, während es bei Afrikanern nur selten vorkommt. Das Allel kommt jedoch nur dann zum Tragen, wenn zusätzlich die interagierende Treibermutation EWSR1-FLI1 in einer somatischen Zelle auftritt. Glücklicherweise ist diese liaison dangereuse recht selten“, sagt Grünewald. Der LMU-Mediziner und seine Kollegen hoffen, dass sich ihre Ergebnisse therapeutisch nutzen lassen. In Zellkulturen und im Mausmodell konnten die Forscher bereits zeigen, dass sich die Tumorzellen nicht weiter entwickeln, wenn der von EGR2 regulierte Signalweg ausgeschaltet wird. Originalpublikation: Chimeric EWSR1-FLI1 regulates the Ewing sarcoma susceptibility gene EGR2 via a GGAA-microsatellite Thomas G. P. Grünewald et al.; Nature Genetics, doi: 10.1038/ng.3363; 2015