Die Desinfektion von Oberflächen bringt nichts im Kampf gegen das Coronavirus. Das sagt der BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. Doch nicht alle sind seiner Meinung.
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), hält die derzeitig intensiv betriebene Desinfektion von Oberflächen als Schutz vor neuen Corona-Infektionen für sinnlos. „Die aktuellen Erkenntnisse über die Übertragung von Corona sind eindeutig. Sie findet ausschließlich über den Luftweg statt und nicht über Schmierinfektionen, also über die Verunreinigung von Flächen“, sagt Reinhardt in einem Interview mit den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft.
Die momentan gängige Desinfektionspraxis bezeichnet er als „unsinnig und obsolet“. Er fordert das Robert-Koch-Institut (RKI) dazu auf, dies zum Erkenntnisstand zu erheben. Zudem müsse das RKI den Gesundheitsämtern kommunizieren, dass eine ständige Flächendesinfektion überflüssig sei. „Dann hätten viele Menschen mehr Zeit, sich mit Dingen zu beschäftigen, die Corona sinnvoller bekämpfen“, so Reinhardt.
Da die Infektionszahlen von SARS-CoV-2 hierzulande wieder stark steigen, müsse es in diesem Herbst und Winter das oberste Ziel der Politik bleiben, das Gesundheitssystem nicht zu überfordern.
Eine am Montag veröffentlichte australische Studie kommt zu einem ganz anderen Schluss als Reinhardt. Ihr Ergebnis: Auf glatten Oberflächen wie von Handydisplays und Bankautomaten kann der Erreger unter bestimmten Laborbedingungen bis zu 28 Tage überleben. Frühere Studien konnten das Coronavirus nur bis zu drei Tage lang auf Kunststoff- und Edelstahloberflächen nachweisen.
„Während die primäre Ausbreitung von SARS-CoV-2 über Aerosole und Atemtröpfchen zu erfolgen scheint, können Objekte auch einen wichtigen Beitrag zur Übertragung des Virus leisten.“ Das behauptet zumindest die australische Wissenschaftsbehörde Csiro im Fachmagazin „Virology Journal“.Wie lange hält SARS-Co-V-2 auf verschiedenen Oberflächen? Credit: CSIRO
Die Überlebensdauer des Erregers sei stark von den Temperaturverhältnissen abhängig. „Bei 20 Grad Celsius, also etwa Raumtemperatur, fanden wir heraus, dass das Virus extrem robust ist und 28 Tage lang auf glatten Oberflächen wie Glas von Handybildschirmen und Kunststoff-Geldscheinen überlebt“, sagte Debbie Eagles, stellvertretende Direktorin des australischen Zentrums für Seuchenvorsorge, das die Untersuchung durchführte. Bei steigender Temperatur sank die Überlebensdauer des Virus. Alle Experimente wurden im Dunkeln durchgeführt, um jegliche Auswirkungen von UV-Licht zu vermeiden.
Den Ergebnissen der Studie zufolge überlebt das Virus auf glatten Oberflächen wie Glas, Edelstahl und Vinyl im Vergleich zu zusammengesetzten, porenreichen Oberflächen wie Baumwolle länger. Die Touchscreens von Bankautomaten oder Selbstbedienungskassen in Supermärkten werden als Beispiele für kontaminierte Oberflächen genannt. Diese würden häufig berührt, aber möglicherweise nicht regelmäßig gereinigt.
Die australischen Studienautoren sind sich sicher: Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Desinfektion von Oberflächen notwendig bleibt, um mögliche Infektionen zu verhindern. Hier muss allerdings einschränkend erwähnt werden, dass es sich um Ergebnisse aus Versuchen handelt, die unter Laborbedingungen durchgeführt wurden. Welche Infektionsgefahr im realen Leben tatsächlich von kontaminierten Oberflächen ausgeht, kann die Studie nicht beantworten.
Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sind bislang keine Fälle bekannt, bei denen nachgewiesen werden konnte, dass SARS-CoV-2 durch Kontakt zu kontaminierten Gegenständen und Oberflächen auf Menschen übertragen wurde und es zu Infektionen kam. „Allerdings können Schmierinfektionen über Oberflächen nicht ausgeschlossen werden, die zuvor mit Viren kontaminiert wurden“, so das BfR.
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