Ein Mann lässt sich in die Notaufnahme bringen, weil er morgens nicht mehr aus dem Bett kommt. Er ist Transplantationspatient und fühlt sich seit einiger Zeit schwach. Als die Ärzte seine Arme und Beine untersuchen, fallen ihnen merkwürdige Knötchen auf.
Eines Morgens geht es einfach nicht mehr. Seit einem Monat fühlt sich der 76-Jährige schwach und abgeschlagen. Jetzt kommt er nicht mal mehr aus dem Bett. Er ruft den Notruf und ein Krankenwagen bringt ihn in die Notaufnahme einer kanadischen Klinik.
Bei der Anamnese erheben die Ärzte folgende Befunde: Der Patient hat Bluthochdruck, einen Typ-2-Diabetes und war früher starker Raucher. Außerdem bekam er vor sechs Jahren, wegen einer diabetischen Nephropathie eine Niere transplantiert. Seit der Transplantation leidet er infolge progressiver Dysfunktion des Transplantats unter einer chronischen Niereninsuffizienz (Stadium 5).
Sein aktuelles Immunsuppressionsregime besteht aus Tacrolimus, Mycophenolat-Mofetil und Prednison. Außerdem nimmt der Mann zusätzlich das Antihypertensivum Labetalol, den Kalziumkanalblocker Amlodipin, Calcitriol und das Antianämikum Darbapoietin alpha ein.
In der Notaufnahme berichtet der 76-Jährige von vermindertem Appetit und einer Gewichtsabnahme von 6 kg innerhalb des letzten Monats. Die Frage nach Fieber, Schüttelfrost oder nächtlichen Schweißausbrüchen verneint er.
In den letzten zwei Monaten hätten sich aber mehrere kleine schmerzlose knötchenförmige Hautläsionen entwickelt. Die weitere Anamnese ist unauffällig.Weder war der Mann gereist, noch hatte er Kontakt zu erkrankten Personen gehabt.
Am Ende des Gesprächs fragt der behandelnde Arzt den Patienten noch, ob er Haustiere besitzt oder Kontakt zu Tieren gehabt hätte. Begeistert berichtet dann dieser, dass er ein Süßwasseraquarium besitzt, welches er zweimal im Monat reinigen würde.
Die körperliche Untersuchung ergibt einen temporalen Muskelschwund und einen Body-Mass-Index von 19 kg/m2. Die Ärzte finden außerdem sechs ulzerierte, knötchenförmige Läsionen, mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 2 Zentimetern, an der dorsalen Hand, dem Unterarm und an den Beinen des Mannes.
Von einer der rätselhaften Hautläsionen entnehmen die Ärzte eine Biopsie. Im Abstrich entdecken sie säurefeste Stäbchenbakterien. Außerdem beschließen sie, auch bildgebende Diagnostik in Auftrag zu geben. Im Thorax-Röntgen sind bilaterale runde Verschattungen zu sehen. Mittels Computertomographie können daraufhin mehrere solide Knoten in der Lunge identifiziert werden.
Wegen der Appetitlosigkeit und der starken Gewichtsabnahme, entschließen sich die Mediziner, zusätzlich eine Gastroskopie durchzuführen. Hier finden sie diffuse schwarze Schleimhautverfärbungen im Zwölffingerdarm. Beim Anblick dieser, vermutet ein erfahrener Kollege eine Einschleppung von Mykobakterien in den Gastrointestinaltrakt.
Auf diesen Verdacht hin wird eine antibiotische Behandlung mit Imipenem/Cilastin, Tigecyclin und Rifampicin begonnen. In der Blutkultur wird innerhalb der folgenden sieben Tage tatsächlich Mycobacterium marinum nachgewiesen. Auch das Ergebnis der bronchoalveolären Lavage (BAL) lautet: Mycobacterium marinum. Das Reinigen seiner geliebten Aquarien wurde dem ohnehin immun-geschwächten Mann wohl zum Verhängnis.
Die Ärzte sind besorgt. Obwohl der Patient eine geeignete antimikrobielle Therapie erhält, unter der sich auch seine Hautläsionen bessern, bleibt sein Gesamtzustand schlecht. Es kommt zum progressiven Allotransplantatversagen – woraufhin er erneut Hämodialyse erhält.
Im weiteren Verlauf erleidet der Mann außerdem einen asystolischen Herzstillstand mit nachfolgender anoxischer Hirnschädigung und Multiorganversagen. Er verstirbt im Krankenhaus.
Eine nachfolgende Autopsie bestätigt dann die disseminierte Infektion mit Mycobacterium Marinum unter Beteiligung der Mediastinal-, Hilus- und subkarinalen Lymphknoten, der proximalen Dünndarmschleimhaut, der Milz, der Leber, der Lunge und der Haut.
Dieser Fall zeigt deutlich, wie gefährlich zoonotische Infektionen für Menschen mit geschwächtem Immunsystem sein können. Die Diagnose kann eine Herausforderung darstellen, da der Verlauf oft ungewöhnlich ist und die Symptome zu Anfang sehr schwach ausgeprägt sein können. Von den mehr als 200 bekannten zoonotischen Infektionen werden 40 durch Haustiere übertragen. Deshalb sollten immunsupprimierte Patienten über allgemeine Maßnahmen zur Verhinderung der Übertragung von ihrem behandelnden Arzt angemessen informiert werden.
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Textquelle: Marc Bienz et al. / CMAJ
Bild: © rihaij / pixabay