Anstecken im Flieger – das scheint aufgrund der engen Platzsituation und der scheinbar stickigen Luft äußerst wahrscheinlich. Aber gibt es für diese Vermutung überhaupt wissenschaftliche Belege? Eine aktuelle Studie soll klären, was es mit dem Infektionsrisiko im Flieger auf sich hat.
Mit weltweit mehr als drei Milliarden Passagieren pro Jahr stellt das Fliegen heutzutage einen der wichtigsten epidemiologischen Faktoren zur Ausbreitung von Krankheiten und Seuchen dar. Da sich Infektionskrankheiten dank des schnellen globalen Transports tatsächlich gut verbreiten können, ist die enge und vermeintlich nur mit einem geringen Luftkontingent ausgestattete Kabine seit jeher Mittelpunkt wilder Spekulationen. Reicht ein Grippekranker im Flugzeug tatsächlich aus, um viele andere Passagiere anzustecken?
Bisher gab es keine wirklich verlässlichen Studien zu diesem Thema. Allerdings sind mehr als ein Dutzend Fälle bekannt, in denen es tatsächlich während eines langen Interkontinentalfluges zu einer Übertragung teils schwerer Infektionen gekommen sein soll. Hertzberg und Kollegen nahmen sich in ihrer aktuellen Studie dieser Fragestellung an. Sie simulierten erstmals systematisch anhand von Bewegungsmustern der Crew und der Passagiere, ob eine Übertragung, z.B. der Influenza, überhaupt wahrscheinlich ist. Darüber hinaus maßen die Forscher an Bord von Flügen in den USA die Belastung der Kabinenluft mit infektiösen Erregern während der Grippesaison.
Zehn Studierende saßen auf insgesamt zehn Flügen zwischen Atlanta und der Westküste der USA an Bord des Flugzeugtyps Boeing 757. Als Infektionswege für die Übertragung einer möglichen Influenza von Passagier zu Passagier kamen im Wesentlichen drei in Frage: Ein zugewiesener Sitzplatz in unmittelbarer Nähe zum Infektionsherd, das Vorbeilaufen am Infektionsherd auf dem Weg zur Toilette sowie die Möglichkeit, dass ein Erkrankter an den Sitzplätzen anderer Passagiere vorbeiging. Das Ergebnis der Beobachtungen war überraschend. Von allen 1.500 Passagieren auf den Flügen hustete nur einer. Die Übertragung von aerogenen Erregern – wie der Influenza – auf andere Passagiere im unmittelbaren Ein-Meter-Radius des Infektionsherds war sehr unwahrscheinlich. 38 Prozent der Fluggäste verließen niemals, weitere 38 Prozent zumindest einmal und 11 Prozent mehr als zweimal ihren Sitzplatz während des Fluges, um etwa die Toiletten aufzusuchen. Menschen mit einem Fensterplatz blieben in der Regel für die Gesamtdauer des Fluges sitzen.
Doch ist die aerogene Infektion natürlich nicht die einzige Ansteckungsmöglichkeit im Flieger. Es besteht ebenso die Möglichkeit, sich über Schmierinfektion und Oberflächenkontakte anzustecken. Tatsächlich gehören die Toiletten, die Türklinken sowie die kleinen Klapptische zu den besonders keimbelasteten Zonen eines Flugzeugs. Insgesamt untersuchten die Forscher hier auch 228 Oberflächenproben, fanden jedoch keine Anzeichen für 18 weitverbreitete respiratorisch pathogene Viren. Eine Luftfeuchtigkeit an Bord von 20 Prozent bot durchaus gute Bedingungen für Viren, jedoch wurde die Luft in der Kabine standardmäßig etwa 20 Mal pro Stunde komplett erneuert und gefiltert. Dadurch konnten sich Krankheitserreger sehr wahrscheinlich nicht in einer für eine Infektion ausreichenden Menge anreichern.
Während die Luft in direkter Nachbarschaft eines an Influenza erkrankten Fluggastes durchaus infektiös sein kann – insbesondere beim Husten und Niesen – so gehört ein generell höheres Infektionsrisiko auf Flugreisen wohl eher in die Welt der Mythen. Die Ergebnisse dieser Studie sind indes nicht auf andere Flüge oder Fluglinien übertragbar, so die Autoren. Langstreckenflüge sowie große Passagiermaschinen, wie die Boeing 747 oder der Airbus A380, bieten mehr Möglichkeiten aufzustehen, sich zu bewegen und auch mit mehr Menschen an Bord zu interagieren. Darüber hinaus mögen sich die Hygieneprotokolle sowie die Reinigungsintervalle zwischen einzelnen Fluggesellschaften unterscheiden. Quelle: Behaviors, movements, and transmission of droplet-mediated respiratory diseases during transcontinental airline flights. Vicky Stover Hertzberg et al.; PNAS, DOI: doi:10.1073/pnas.1711611115, 2018