Belgische Ärzte und Pflegekräfte arbeiten im Falle einer symptomlosen Corona-Infektion weiter. Auch in Bremen und Bayern soll das bereits der Fall sein. Droht diese Maßnahme, Usus zu werden?
In Belgien droht das Gesundheitssystem durch SARS-CoV-2 zu kollabieren. Laut Worldometers ist die Zahl der Neuinfektionen pro Tag auf knapp 24.000 angestiegen. Und pro Tag sterben knapp 180 Menschen aufgrund von COVID-19. Damit gehört Belgien, gemessen an den Neuinfektionen pro 14 Tagen und pro 100.000 Einwohner, zu den am stärksten betroffenen Gegenden Europas. Medienberichten zufolge bahnt sich eine Katastrophe an.
Schon jetzt, Anfang November, gibt es zu wenige Ärzte und Pflegefachkräfte. Das Maximum der zweiten Welle kommt womöglich erst. Deshalb arbeiten medizinische Fachkräfte selbst nach einer Infektion mit dem Coronavirus weiter. „Wir müssen zwischen einer schlechten und einer sehr schlechten Lösung wählen“, sagt Philippe Devos vom belgischen Verband der medizinischen Gewerkschaften der Deutschen Presseagentur. Nur symptomfreie Ärzte und Krankenpfleger würden eingesetzt.
Unklar ist derzeit aber, wie viele medizinische Fachkräfte sich infiziert haben. In Deutschland war Mitte April von 6.395 Mitarbeitern aus Krankenhäusern und Arztpraxen die Rede. Dem Robert-Koch-Institut wurden laut Situationsbericht vom 31. Oktober 2020 bislang 19.168 Infektionen von medizinischen Fachkräften gemeldet. Von ihnen wurden 762 stationär behandelt und 24 sind an COVID-19 verstorben.
Wie diese Zahlen in anderen Ländern aussehen, verrät ein Blick auf die Studienlage. Weltweit wurden hierzu im letzten Jahr Erhebungen durchgeführt, um die Seroprävalenz bei medizinischem Fachpersonal in einem Land genauer zu ermitteln. Meist wurden hierfür Tests auf Antikörper gegen das Coronavirus verwendet. Die Ergebnisse schwanken je nach Region und Zeitpunkt immens. Einige Arbeiten im Überblick:
Doch was können wir selbst aus der Situation in Belgien lernen? Warum ist die Lage so eskaliert? „Weil nicht die Zahl der Intensivbetten entscheidet, sondern das spezialisierte knappe Personal“, kommentiert SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf Twitter. Laut OECD gehört Belgien sogar zu den Ländern mit vergleichsweise hohen Kapazitäten an Intensivbetten.
Grafik: OECD
Deutschland setzt in der Pandemie bisher vor allem auf das DIVI-Register, um Kapazitäten der Intensivmedizin zu koordinieren. Diese zentrale Ressourcenplanung gilt als wichtiges Instrument, hat womöglich aber einen Schönheitsfehler, der kürzlich medial heftig diskutiert wurde. Denn offen bleibt, ob es genug Ärzte und Pflegekräfte gibt, um bei starker Belegung alle Patienten zu betreuen – dieses Problem sprach auch die DIVI kürzlich an. Es mehren sich Berichte, dass es auch in Deutschland fatal ist, nur auf die Anzahl der Betten zu schauen. Ein Notarzt und Intensivmediziner spricht auf Twitter von „Luftnummern“, was die Anzahl der freien Plätze auf den Intensivstationen angeht:
Sollte der Tweet nicht angezeigt werden, bitte Seite neu laden.
Noch wird in Deutschland keine ähnliche Strategie wie die aus Belgien verfolgt – zumindest nicht bundesweit. Denn Berichten zufolge gibt es in Bremen und Bayern bereits mit SARS-CoV-2 infiziertes Pflegepersonal, das weiterhin im Einsatz ist. Das RKI weist außerdem darauf hin, dass medizinisches Personal trotz Kontakt mit Corona-Infizierten die Arbeit unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig wieder aufnehmen kann, sofern relevanter Personalmangel in der Krankenversorgung vorliegt. Die Empfehlungen variieren je nach Situation:
Was denkt ihr? Werden wir flächendeckend Regelungen wie in Belgien benötigen oder ist Deutschland gut aufgestellt?
Bildquelle: United Nations COVID-19 Response, unsplash