Ist das Herz dauerhafter Überlastung ausgesetzt, lassen zwei bestimmte Proteine unablässig Kalzium in die Muskelzellen einströmen. Dies setzt krankhafte Umbauprozesse des Herzmuskels in Gang. Die Inaktivierung dieser Proteine schützt im Tierversuch vor Herzschäden.
Dauerhaft erhöhter Blutdruck, Erkrankungen der Herzklappen sowie Engstellen an der Aorta bedeuten Schwerstarbeit für das Herz. Es kompensiert diese Belastung durch übermäßiges Muskelwachstum und Einlagerung von Bindegewebe. Anders als beim „Sportlerherz“, das, durch körperliches Training angeregt, ebenfalls an Muskelmasse zulegt, ist das krankhaft vergrößerte Herz nicht leistungsfähiger, sondern im Gegenteil zunehmend in seiner Pumpkraft beeinträchtigt. Chronische Herzschwäche, Rhythmusstörungen oder plötzlicher Herztod können die Folgen sein. Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht und Alter: Mehr als 40 Prozent der über 70-Jährigen leiden an einer Herzmuskelhypertrophie. Bisher gibt es keine Therapie, die das maladaptive kardiale Remodeling auf molekularer Ebene stoppt. Das Team um Prof. Dr. Marc Freichel, Direktor der Abteilung Allgemeine Pharmakologie, untersuchte, in wie weit Kalzium in diesen Mechanismus involviert ist oder diesen sogar in Gang setzten kann. Kalzium ist für die Herzfunktion unverzichtbar. Dazu ist das genau aufeinander abgestimmte Zusammenspiel verschiedener Proteine, der Kalziumkanäle und -transporter, in der Zellhülle oder im Inneren der Zellen notwendig, die Kalzium entweder in die Zelle einlassen oder es wieder hinaus transportieren. „Es gab Hinweise, dass Kalzium auch eine Rolle bei der Anpassung der Herzmuskelzellen an Belastung spielt – und zwar unabhängig von seiner Funktion bei Herzschlag und Herzrhythmus“, erklärt der Pharmakologe. „Dazu benötigt es separate Kalziumkanäle, die unabhängig vom Herzschlag funktionieren. Zwei entscheidende Kanalproteine, TRPC1 und TRPC4, haben wir nun entdeckt.“
TRPC1 und TRPC4 gehören einer Gruppe ähnlicher Proteine an, die sich durch die Hormone Adrenalin und Angiotensin II aktivieren lassen. In Zusammenarbeit mit Zellbiologen der Universität des Saarlandes um Professor Dr. Peter Lipp überprüften sie die Funktion dieser Proteine mithilfe genetisch veränderter Mäuse, die jeweils einzelne oder mehrere von insgesamt sechs TRPC-Proteinen nicht bilden konnten. Sie zeigten: Unter der Wirkung von Angiotensin II und Adrenalin kommt es zu einer Steigerung eines kontinuierlichen Einstroms von Kalzium in die Herzzellen. Bei Herzzellen von Mäusen, denen Protein TRPC1 und gleichzeitig TRPC4 fehlten, war dieser Kalziumeinstrom und damit auch der Kalziumspiegel in den Zellen dauerhaft deutlich vermindert. Im lebenden Tier fiel ohne diese beiden Eiweiße trotz künstlich herbeigeführtem Bluthochdruck oder Aortenverengung das krankhafte Muskelwachstum des Herzens nur gering aus. „Die Mäuse litten auch unter deutlich weniger Herzfunktionsstörungen als normale Mäuse unter chronischer Druckbelastung. Die Tiere ohne TRPC1 und TRPC4 waren über die Versuchsdauer vor einer Herzschwäche geschützt“, erklärt Erstautor Dr. Juan E. Camacho Londoño. Bei Tieren, denen jeweils nur TRPC1 oder nur TRPC4 fehlte, waren diese Effekte nicht zu beobachten.
Durch das Fehlen der beiden Kanalproteine traten keine Nebenwirkungen auf, wie dies häufig der Fall ist, wenn einzelne Signalwege im Herzen blockiert werden: Unter normalen Bedingungen zeigen die genetisch veränderten Mäuse keine Auffälligkeiten; ihre Herzen funktionierten und reagierten normal. „Aus diesem Grund eignen sich die beiden TRPC-Proteine hervorragend als Ansatzpunkte für neue Therapien“, so Londoño. „Ein nächster Schritt ist es nun, entsprechende Wirkstoffe zu entwickeln und zu testen, die ausschließlich TRPC1 und TRPC4 blockieren.“ Zudem untersucht das Team, welche weiteren Faktoren und Proteine in diesen Kalzium-Signalweg eingebunden sind, um den Krankheitsmechanismus des krankhaften Herz-Remodelings weiter aufzuklären. Originalpublikation: A background Ca21 entry pathway mediated by TRPC1/TRPC4 is critical for development of pathological cardiac remodelling Juan E. Camacho Londoño et al.; European Heart Journal, doi: 10.1093/eurheartj/ehv250; 2015