In diesem Blogbeitrag geht es um Superhelden mit drei Buchstaben. Sie haben gefühlte fünf Hände und bleiben in schwierigen Situationen ruhig. Doch nicht jeder weiß sie zu schätzen.
Als junger angestellter Tierarzt bin ich in der gleichen Altersgruppe, wie viele der TFAs (Tiermedizinische Fachangestellte) in den Praxen, in denen ich bisher gearbeitet habe. Mein Verhältnis zu ihnen war immer gut – ich sah sie oft als gleichwertige Kollegen an. Kollegen mit anderen Aufgabenfeldern, aber keiner dem anderen unterlegen.
Denn: Was wäre ein Tierarzt ohne die TFA? Betrachtet man den einzelnen Tierarzt, so ist er durchaus auch allein in der Lage, ein Tier zu untersuchen (bei sehr lieben Tieren oder wenn der Besitzer das Tier einigermaßen gut festhalten kann, ohne es so zu verdecken, dass eine Untersuchung unmöglich ist). Auch führt er in der Regel allein die Behandlung durch oder operiert. Betrachtet man jedoch die Tierarztpraxis als Ganzes, dann wird es schon schwierig, so ganz allein.
Jemand muss an das ständig klingelnde Telefon gehen. Eine einfache Frage wie „Hallo, ich wollte mal fragen, wie viel eine Sterilisation bei Ihnen kostet?“ kostet Zeit. Daraufhin sollte nämlich eine Erklärung der Begrifflichkeiten Kastration/Sterilisation folgen, sowie eine grobe Aufschlüsselung der feststehenden und variablen Posten der OP mit Preisen nach Gebührenordnung und der Hinweis darauf, dass man doch am besten einmal zur Voruntersuchung in die Praxis kommen solle, um alle Fragen mit dem Tierarzt besprechen zu können.
Jemand muss die eintrudelnden Tierbesitzer samt ihrer oft wenig begeisterten Begleiter empfangen, in der Kartei suchen und ins virtuelle Wartezimmer eintragen. In der Behandlung muss – wie weiter oben beschrieben – das Tier fachgerecht festgehalten werden. Und das ist oft gar nicht so leicht, wie es sich anhört. Versuchen Sie mal, einer Katze Blut aus einem 2 mm breiten Gefäß abzunehmen – einem Tier, das sich gefühlt in alle Richtungen drehen und winden kann und darüber hinaus nicht nur 4 Beine à 5 bzw. 4 frisch geschärfter Krallen, sondern auch noch spitze und höchst gefährliche Zähne hat – und das ohne TFA. Viel Glück.
Und dabei bleibt es ja nicht. Auch Kaninchen (können sich selbst durch starkes Aufstampfen die Hinterläufe brechen), Hamster oder Wellensittiche wollen fachgerecht aus ihren Transportboxen gelockt und während der Untersuchung und Behandlung gehalten werden.
Jemand muss die vom Tierbesitzer abgegebenen Proben weiterverarbeiten und dokumentieren. OPs müssen – inklusive des Patienten – vorbereitet werden. Bei ihrer Durchführung braucht der Tierarzt oft Assistenz. Danach muss der ganze OP wieder aufgeräumt und geputzt werden. Das Besteck gesäubert und autoklaviert. Aber auch die Box des Tieres sollte dann schon sauber und vorbereitet sein, die Medikamente im besten Fall ebenso. Nicht selten ist es so, dass die TFA auch die Bestände der Praxis prüft und protokolliert, die Medikamente bestellt, teilweise die Dienste oder Urlaube der Angestellten plant, Rechnungen schreibt und am Ende des Tages noch die Praxis putzt.
Wenn man sich das ganze Aufgabenspektrum zu Gemüte führt, dann sollte man denken, TFAs sind die Superhelden der Tierarztpraxis. Und ich habe sie auch immer so gesehen. Als Berufsanfänger ist es Gold wert, wenn man eine entspannte, routinierte und kompetente TFA an seiner Seite hat. Die weiß, wo die Medikamente stehen, wie die Arbeitsabläufe und Routinen der Praxis sind. Die mit den Tieren gut umgehen kann, damit man sich zwischenzeitlich voll und ganz auf den Tierbesitzer und seine Erklärungen an ihn konzentrieren kann. Die mitdenkt, Arbeitsschritte vorausahnt und schnell reagiert, wenn man doch mal eine völlig verdreckte Box (wahlweise Kot/Urin/Erbrochenes) samt sich darin befindlicher Katze handlen muss. Oder einen Wurf Welpen zur Erstuntersuchung, von denen mindestens immer einer pro Minute ein Geschäft im Raum verteilt.
Man darf außerdem nicht unterschätzen, wie viel Nerviges TFAs den ganzen Tag von den Tierärzten fernhalten. Die ganze Quengelei der Tierbesitzer („Ich warte schon eine halbe Stunde und jetzt wurde eben jemand vorgezogen!“), die vielen Nachfragen am Telefon („Ich habe eben eine Taube gesehen, die hatte einen ganz komischen Fuß, jetzt finde ich sie aber nicht mehr. Was kann ich tun?“), die Beschwerden über den Preis („Das wird ja jedes mal teurer hier!“), oder die ganzen Kunden, die schon eine Stunde vor den offiziellen Praxisöffnungszeiten (noch in der OP-Zeit, d. h. während der Tierarzt gerade operiert) klingeln und schon mal eine Wurmkur abholen wollen. Generell habe ich oft bemerkt, dass viele Leute sich am Empfang – bei den TFAs – nicht sehr gut benahmen, aber dann im Behandlungsraum zuckersüß zu mir waren.
Doch so sehr man auch die TFAs an seiner Seite als angestellter Tierarzt wertschätzt – das System und auch einige Praxisinhaber tun es leider oft nicht. Eine TFA mit 10 Jahren Berufserfahrung verdient laut Tarifvertrag, je nach Tätigkeitsgruppe, zwischen 2.200 und 2.670 € brutto. Das ist nicht besonders viel, vor allem wenn man betrachtet, was sie jeden Tag für eine Praxis leistet.
Deshalb freut es mich, immer mal wieder zu hören, dass manche Praxen über dem Tarif bezahlen. Auch fand ich es sehr schön zu lesen, als eine Tierärztin in einem sozialen Netzwerk schrieb, dass sie ihre langjährige TFA gerne gebührend beteiligen möchte, und überlegt, ihr Anteile der Praxis zu übertragen, um ihre Wertschätzung und Unverzichtbarkeit auszudrücken. Sicher ein etwas unüblicher Weg, aber bestimmt sehr motivierend für die langjährige Angestellte. Und ein guter Grund, dieser Praxis treu zu bleiben. Das beruhigt sicher auch die Inhaberin.
Eine Umfrage der AGILA-Haustierversicherung von 2018 ergab, dass sich ein Drittel der befragten TFAs langfristig in einem anderen Beruf sehen. Die Gründe könnten bei der Bezahlung liegen. 32 Prozent gaben an, dass sie mit ihrem Gehalt gerade so auskämen und rund 45 Prozent sagten, sie kämen langfristig nicht damit aus.
Auszug aus einer Umfrage der AGILA-Haustierversicherung zur Erfassung von Berufsbedingungen & Zukunftsaussichten unter Tierärzten und Tiermedizinischen Fachangestellten
Mit den Arbeitsbedingungen schienen die Befragten auch nicht ganz zufrieden zu sein. Über 60 Prozent müssen verschiedene Sonderdienste, wie Wochenenddienste oder Nacht-/Not-Dienste leisten. Über 70 Prozent empfanden die Rahmenbedingungen dieser Dienste aber als „unpassend“. Ein Drittel der Befragten erhielt keine Bezahlung für Sonderdienste.
Auch bei den Auszubildenden scheint es Bereiche zu geben, mit denen viele unzufrieden sind. In einer kleinen Umfrage mit 38 TFAs in Ausbildung gab ein Drittel von ihnen an, keine Rückmeldung zur Qualität ihrer Arbeit zu bekommen. Bei 55 Prozent der Auszubildenden wurden Kritik- und Beurteilungsgespräche nicht immer respektvoll oder gar mit verschärftem Umgangston geführt.
Schlussendlich gab die Hälfte der Befragten an, diesen Ausbildungsberuf nicht noch einmal zu wählen und nur 18 Prozent wollen nach ihrer Ausbildung weiter als TFA arbeiten.
Was kann man als Tierarzt also tun, damit uns nicht in den nächsten Jahren auch in diesem Bereich immer mehr der Nachwuchs abhanden kommt? Mehr Gehalt? Mehr Wertschätzung? Eine klare und konstruktive Kommunikation? Ich denke, eine Mischung aus allem. Was mir manchmal bei den tierärztlichen Kollegen bisher gefehlt hat: Respekt und Anerkennung der Arbeit, die eine TFA leistet. Denn ich finde, das haben sie verdient.
Anm. d. Redaktion: Die Textstelle zu gefährlichen Kampfkatzen wurde wegen eines Hinweises eines aufmerksamen Lesers ergänzt, da Katzen an ihren Vorderpfoten zwar 5, an ihren Hinterpfoten aber natürlich nur 4 Zehen und Krallen besitzen.
Bildquelle: Elias Castillo, Unsplash