Unzufriedenheit und Stress steigern das Burnout-Risiko auch in der gynäkologischen Praxis. Die Corona-Pandemie verstärkt diesen Effekt noch. Wie es mir gelingt, rechtzeitig gegenzusteuern.
Der Weltärztebund verabschiedete 2017 eine Deklaration, in der es, angelehnt an den Hippokratischen Eid, vor allem um das Wohl des Patienten geht. Interessanterweise aber mit einer bedeutenden Ergänzung:
Wie schafft man es, in sozial engagierten Berufen eine Balance zwischen Mitgefühl und professioneller Distanz zu halten? Wie gelingt es, empathisch und idealistisch weiterhin für das Wohl seiner Patienten zu brennen, dabei aber nicht auszubrennen?
Bei einer Umfrage unter Vertragsärzten in Deutschland gab fast ein Viertel an, nur „ausreichend“ mit der eigenen Arbeitssituation zufrieden zu sein, knapp ein Fünftel gab die Note „mangelhaft“ oder „ungenügend“. Und 58 % würde keine Vertragsarzttätigkeit mehr aufnehmen, 37 % sogar einen anderen Beruf wählen. Das sind Zahlen, die nachdenklich machen.
Als Gründe werden angegeben: Das Arztbild in Gesellschaft und Medien habe sich verändert, es fehle an Wertschätzung, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und einer adäquaten Honorierung. Stattdessen ein stressvolles Arbeitstempo, zunehmende Anspruchshaltung von Patienten und konfliktreiche Interaktionen am Arbeitsplatz. In den pflegenden Berufen bietet der immer größer werdende Pflegenotstand einen gefährlichen Nährboden für chronische Arbeitsüberlastungen.
Die gesellschaftliche Entwicklung, geprägt von hohem Arbeitstempo, Schnelllebigkeit in der medialen Aufarbeitung und einem schwindenden familiären Auffangnetz, macht es immer schwerer, die richtige Balance zwischen Arbeitswelt und individueller Lebenserfüllung zu finden. Hohe Arbeitsdichte führt zu Bewegungsmangel, Fehlernährung, chronischem Stress und zunehmender innerer Leere.
Die Coronapandemie verschärft die Situation, da Ausgleichsmöglichkeiten wie soziale Kontakte, Sport, kulturelle Veranstaltungen und Reisemöglichkeiten nur eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich sind. Notwendige Hygienemaßnahmen, wie das Tragen einer FFP2-Maske, machen die Arbeitssituation nicht leichter. Routineeingriffe müssen verschoben werden, das verursacht Erklärungsbedarf. Patientinnen sagen Termine aus Furcht kurzfristig ab, andere müssen an den korrekten Mund-Nasen-Schutz erinnert werden.
Eingeführt wurde der Begriff 1974 von Freudenberger, der als Holocaust-Überlebender in die USA immigrierte und in New York als Psychoanalytiker für soziale Randgruppen tätig war. Er beschrieb Burnout als Ausdruck einer Überlastungskonstellation mit Erschöpfungssyndrom. Seitdem wird der Begriff als Synonym für psychische, psychosomatische und soziale Folgen einer langandauernden, das individuelle Leistungsvermögen übersteigenden Belastung gesehen.
Als Kardinalsymptome werden anhaltende Erschöpfung, Depersonalisation und ein Gefühl der reduzierten Leistungsfähigkeit genannt. Weitere Symptome können Konzentrationsprobleme, Entscheidungsunfähigkeit, Selbstzweifel, Gleichgültigkeit, Schlafstörungen, Suchtverhalten und zwischenmenschliche Probleme sein. Körperliche Beschwerden aus dem psychosomatischen Formenkreis sind nicht selten.
Ein Burnout entwickelt sich durch ein chronisches, individuell unterschiedlich empfundenes Stressniveau, auf das mit verschiedenen Symptomen reagiert wird. Die Entwicklung wird als prozesshaft über mehrere Phasen beschrieben, bis hin zu einem Zustand der anhaltenden Erschöpfung, Leistungsinsuffizienz und Resignation. Am Beginn steht oftmals eine idealistische, extrem engagierte und sich als unentbehrlich empfindende Persönlichkeit. Die derzeitige Homeoffice-Situation und die ständige Erreichbarkeit durch Onlinevernetzung bieten hierfür ein gewisses Gefährdungspotential für alle Berufsgruppen, die nicht nur vor Ort arbeiten können.
Bei der Behandlung von Burnout zeigt sich, dass die Aktivierung der eigenen Ressourcen mit am stärksten wirksam ist. Oft werden Symptome über einen längeren Zeitraum verdrängt, nicht selten führen somatische Probleme, wie etwa chronische Rückenbeschwerden, zu einer Abklärung.
Ist ein Burnout bereits fortgeschritten, kommen verhaltenstherapeutische und psychodynamische Verfahren zur Anwendung. Bei einer Suchtproblematik sind stationäre Therapiemaßnahmen von Vorteil. Nicht therapierte chronische Verläufe können psychische Erkrankungen wie Depression, Angst- oder Suchterkrankungen nach sich ziehen.
In der gynäkologischen Praxis wird man immer wieder mit Symptomen konfrontiert, die, nachdem alle somatischen Ursachen ausgeschlossen wurden, einen möglichen Erschöpfungszustand durch eine chronische Überlastungssituation darstellen. Darunter fallen unklare Unterbauchbeschwerden und Zyklusstörungen.
Weiterhin können Dyspareunie, Libidoverlust oder starke klimakterische Beschwerden ein Zeichen sein, dass neben hormonellen Ursachen auch persönliche Überlastungen Ausschlag oder Verstärker sind. Schwangere, die über das erste Trimenon hinaus über massive Übelkeit klagen, Frühgeburtsbestrebungen zeigen und eine Überforderung oft auch bewusst ansprechen, sollten durch geeignete Maßnahmen entlastet werden. Empathie und Sorgfalt im anamnestischen Gespräch sind hier besonders wichtig.
Da ein Burnout individuell unterschiedliche Ursachen und Symptome hat, sind die Präventionsstrategien genauso uneinheitlich. Allerdings gibt es allgemeine präventive Maßnahmen:
Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sind doppelt mit dem Phänomen Burnout konfrontiert: Zum einen erleben sie Patienten mit somatischen und psychischen Symptomen, die auf ein Erschöpfungssyndrom hinweisen. Andererseits sind sie selbst in Gefahr, auszubrennen, statt für die Gesundheit ihrer Patienten und für ihr eigenes Wohlergehen gleichermaßen zu brennen.
Damit es erst gar nicht zum Burnout kommt, gilt es, allgemeine Präventionsstrategien zu berücksichtigen, damit die eigene Resilienz gestärkt wird.
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