Menschen mit Hypertonie und Magnesiummangel profitieren wohl von einer Mg-Substitution. Studien zeigen, dass auch Osteoporose-Patienten möglicherweise mehr von einer Magnesium- als von einer Kalziumgabe profitieren. DocCheck befragte dazu Chefarzt Prof. Klaus Kisters.
Das Interview in schriftlicher Ausführung: Prof. Dr. Klaus Kisters, Chefarzt: „Ärzte sollten auf jeden Fall immer an Magnesium denken. Das ist eine ganz wichtige Botschaft, die wir Forscher und Wissenschaftler, die sich mit Magnesium beschäftigen, senden möchten. Das ist darin begründet, dass das Magnesium ein wichtiges Coenzym, ein Katalysator bei ungefähr – was man heute weiß – 600 enzymatischen Reaktionen im menschlichen Körper ist. Es handelt sich hierbei um einen essentiellen Stoff, um ein Elektrolyt. Ohne Magnesium können wir nicht leben. Bei einer Vielzahl von Erkrankungen hat deshalb Magnesium eine ganz wichtige, pathogenetische Bedeutung. Insofern darf man es nicht vergessen und Störungen, die im Magnesiumhaushalt vorliegen, müssen folgerichtig ausgeglichen werden, um weitere Folgeerkrankungen oder ernste Erkrankungen für die Patienten zu verhindern.“
„Zum einen hat es einen ganz großen Stellenwert bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wir wissen heute von vielen Studien, dass das Magnesium zum Beispiel bei der Behandlung einer Hypertonie große Vorteile bringen kann. Das gilt für Patienten mit einer Grenzwert-Hypertonie, das heißt, bei denen der Blutdruck nur leicht erhöht ist. Es hat aber auch einen wichtigen Stellenwert bei Patienten mit einer manifesten Hypertonie. Aus großen Metaanalysen aus den USA weiß man, dass das Magnesium hier eine Blutdrucksenkung von ungefähr 10 mmHg erzielen kann, wenn man es in einer therapeutischen Stärke von ungefähr 300-400 mg pro Tag gibt. Ebenso kann man bei internistischen Erkrankungen, auch bei einer Herzinsuffizienz, große Vorteile erzielen. Es gibt Studien, die gezeigt haben, dass sowohl die Lebenserwartung als auch die Lebensqualität bei den Patienten, die mit Magnesium substituiert werden, insbesondere dann, wenn auch ein Magnesiummangel vorliegt, davon signifikant profitieren. Wir haben Patienten mit Fettstoffwechselstörung. Wir wissen, dass auch hier Magnesium, weil es ein wichtiger Cofaktor für die Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase ist (LCAT() oder auch für die Lipoproteinlipase, dass das Magnesium sich hier günstig auf die Arteriosklerose-Entstehung auswirken kann. Auch auf die Senkung von erhöhten Fettspiegeln im Blut. Was natürlich sehr wichtig ist bei der Arteriosklerose-Entstehung. Ein weiterer Aspekt ist die Behandlung von Diabetikern. Wenn wir mit Magnesium, 300-400 mg täglich im Durchschnitt therapieren – im Einzelfall auch höher – dass wir hierbei eine Verbesserung der diabetogenen Stoffwechsellage erzielen können. Interessant ist besonders der Aspekt, dass Patienten mit einer Augenerkrankung, mit der diabetischen Retinopathie, signifikant weniger erblinden, wenn sie einen guten Magnesiumstatus haben, im Vergleich zu Patienten bei denen das nicht der Fall ist.“
„Werden wir ganz häufig gefragt: Sollen Patienten, die eine Osteoporose haben Kalzium nehmen oder Magnesium? Neueste Daten zeigen eigentlich hier, dass das Magnesium ganz wichtig ist und vielleicht sogar noch besser therapiert werden kann mit Magnesium als mit Kalzium. Besonders wichtig hierbei: Die Kombination mit Vitamin D und Magnesium. Wir wissen heute seit zwei Jahren, wenn Patienten einen Vitamin-D-Mangel haben, was ja gar nicht mal so selten ist, vor allem in den Wintermonaten, dass die davon profitieren, wenn gleichzeitig Vitamin D und Magnesium gegeben werden.“
„Wir wissen zum Beispiel auch, dass Patienten im Rahmen einer Demenz, dass bei denen häufig auch ein Magnesiummangel vorliegt und auch diese Patienten profitieren davon wenn der Magnesiumspiegel ausgeglichen ist. Wir sind heute noch nicht so weit, dass wir sagen können, dass ein ausgeglichener Magnesiumspiegel Demenz verhindern kann, weil dazu fehlen große präventive Studien. Es ist aber so, dass viele der demenzkranken Patienten doch einen statistisch signifikanten Magnesiummangel aufweisen. Auch neuere Untersuchen, die man am Hirnwasser, am Liquor cerebrospinalis, durchgeführt hat, zeigen hier eine Magnesiumverarmung der Patienten. Somit scheint auch die Gehirnaktivität über den MDMA-Rezeptor-Antagonismus, was auch wieder eine Kalzium Magnesium antagonistische Wechselwirkung bedeutet, gestört zu sein. Auch diese Patienten profitieren von einer Magnesiumgabe. Große Studien, die jetzt durchgeführt worden sind bei Patienten mit Parkinson, belegen auch hier die Wirkung von Magnesium, so dass man zusammengefasst zu dem Thema sagen kann, dass sicherlich auch ein intakter Magnesiumhaushalt wichtig ist bei neurologisch erkrankten Patienten.“
„Man weiß, dass organische Magnesiumverbindungen weniger oder anders gesagt, besser verträglich sind. Und auch ein gutes Wirkprofil entwickeln können. Das gilt auch für anorganische Magnesiumverbindungen, hiervon braucht man allerdings manchmal etwas höhere Dosierungen. Hierbei treten manchmal bei höheren Dosierungen gastrointestinale Nebenwirkungen auf.“
„Mit einer ausreichenden Gabe von Magnesium hat man hier sicherlich einen positiven Effekt den man erzielen kann. Auch bei einer Menge von Volkskrankheiten. Hierzu zählen natürlich Diabetes mellitus, Hypertonie und Herzinsuffizienz. Aber auch eben viele Patienten mit Herzrhythmusstörungen profitieren von einem intakten Magnesiumhaushalt. Es gibt genügend Studien, die aber auch bei diesen Erkrankungen auch schon den präventiven Aspekt belegen, dass wenn wir eine gute Versorgung mit Magnesium haben, wir weniger häufig an diesen Volkskrankheiten überhaupt erkranken können. Insofern muss man diese Frage mit „Ja“ beantworten.“
„Wir haben praktisch keine wesentliche Kontraindikation. Wenn wir Magnesiumspiegel im Serum oder Plasma messen und hier einen Bereich haben zwischen 0,8 und 1,2 mmol/l, dann sind diese Todesfälle aufgetreten, bei Konzentrationen über 5. Das schafft man praktisch nicht, die Patienten so hoch mit Magnesium zu therapieren, dass man in diese toxischen Bereiche kommt. Es kann nur passieren, dass es iatrogen geht, zum Beispiel bei Patienten mit einer Präeklampsie, die sehr hohe Magnesiumgaben intravenös bekommen, dass man hier unter Umständen mal so hohe Spiegel erreichen kann. Aber das ist rein theoretisch und in den letzten Jahren nie passiert. Die Patienten bei denen man mit hohen Magnesiumgaben vorsichtiger sein sollte, sind eigentlich nur nephrologische Patienten. Weil das Magnesium ist eigentlich das Stuhlion. Das bedeutet wir nehmen 360 mg Magnesium ungefähr am Tag auf, wovon dann 260 mg mit dem Stuhl wieder ausgeschieden werden und die anderen 100 mg, die gelangen natürlich via Rezeptormechanismus ins Blut und werden dann natürlich in der Niere filtriert und wieder reabsorbiert, je nach Tagesumsatz, den man benötigt. Anders ist es dann bei Patienten, die terminal niereninsuffizient sind und zum Beispiel durch die Dialyse behandelt werden. Hier geht man mittlerweile dazu über, sogar Magnesium höher in das Dialysat zu tun, also die Dialyseflüssigkeit, weil man weiß, dass diese Patienten dadurch einen besseren Gefäßschutz haben, einen besseren Schutz vor Arteriosklerose. Also ein Wandel zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen noch von vor 5 oder 10 Jahren. Also hier ist etwas ganz aktuell neues passiert. Man setzt wirklich das Magnesium dem Dialysat zu, um hier für die Dialyse Patienten eine bessere Gefäßsituation zu schaffen. Also auch hier ein ganz wichtiger Aspekt, weil man eben auch weiß, dass die Letalität unter 10 Jahren Hämodialyse eben sehr hoch ist. Wir haben leider auch aufgrund des Mangels an Organspendern – was ja auch ein aktuelles Thema ist – hier immer mehr neprhologische Patienten, die natürlich dann auch immer mehr Gefäßprobleme haben. Auch das ein ganz wichtiges Einsatzgebiet, wo Magnesium eine zunehmende Rolle spielt.“
Letzte Woche ist im Fachjournal Jama eine Arbeit mit dem Titel „Vitamin and Mineral Supplements – What Clinicians Need to Know“ erschienen. Wissenschaftler der Harvard Medical School geben auf Basis zahlreicher Studien medizinische Empfehlungen für Nahrungsergänzungsmittel ab. Hier der Link zum Abstract der Studie.