Nicht jeder Tote, bei dem virale RNA gefunden wird, ist ein COVID-19-Toter. Dieses Argument wird gern genannt, um die coronabedingte Todeszahl zu relativieren. Aber was ist da dran?
Bis heute werden nur wenige Verstorbene obduziert, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren. In der Uniklinik Aachen wurde nun im Insitut für Pathologie ein zentrales Register für klinische Obduktionen von COVID-19-Erkrankten im deutschsprachigen Raum eingerichtet. Das Deutsche Register COVID-19 Obduktionen (DeRegCOVID) soll dazu dienen, bundesweit Obduktionsberichte gesammelt auszuwerten und somit im einzelnen Fall der Frage nachzugehen: Ist der Patient an oder mit COVID-19 verstorben?
Immer wieder wird als Argument herangezogen, dass man nicht genau wisse, wie viele unter den mittlerweile über 14.000 Todesopfern (Stand: 23.11.2020, 8:30 Uhr) in Deutschland wirklich an den Folgen einer COVID-19-Erkrankung starben. Oder ob andere Erkrankungen hierfür der Grund waren – und ein (nebenbefundlicher) positiver SARS-CoV-2-Test dann fälschlicherweise als Todesursache angenommen wird.
Viele Kritiker erklären einen Großteil der SARS-CoV-2-bedingten Todefälle mit eben einer solchen Fehlzuweisung. So auch in der DocCheck Community:
Die Wissenschaftler in Aachen wollen mit ihrer Auswertung Licht ins Dunkel bringen – aber auch herausfinden, wie genau SARS-CoV-2 zum Tod der Patienten führte.
250 Obduktionen wurden in Aachen bisher ausgewertet, weitere 600 stehen noch aus. Rund 85 Prozent der bisher ausgewerteten Todesfälle sind demnach auf eine COVID-19-Erkrankung zurückzuführen, und nicht auf teilweise vorhandene Vorerkrankungen.
Als Hauptgrund geben die Wissenschaftler die schweren Lungenschäden der Betroffenen an. Prof. Peter Boor, Initiator des Obduktions-Registers erklärt, welche Erkenntnisse bisher gewonnen wurden. Hierfür vergleicht er COVID-19-Patienten mit solchen, die 2009 an der H1N1-Influenza verstorben sind: „Beide Erkrankungen [führen] zur Bildung von [...] Mikrothromben, in den kleinsten Gefäßen, den Kapillaren, in der Umgebung der Alveolen. Diese sogenannte Mikroangiopathie scheint bei COVID-19 deutlich ausgeprägter zu sein. Die Forscher beobachteten neunmal so viele Mikrothromben wie bei den Patienten mit Influenza H1N1.“
Boor berichtet auch, dass im Rahmen der Studie zusätzlich aufgezeigt werden konnte, dass durch die hervorgerufene Störung des Blutflusses eine spezielle Form der Blutgefäßneubildung, eine sogenannte intussuszeptive Angiogenese, angeregt werde. „Dabei kommt es zu Einstülpungen in das Gefäßlumen. Diese intussuszeptive Angiogenese ist der Versuch des Körpers, ein bereits bestehendes Blutgefäß in zwei Teile zu teilen. Diese spezielle Gefäßneubildung wurde in der COVID-Gruppe unter dem Mikroskop fast dreimal so häufig gesehen wie in der Influenza-Gruppe.“
Prof. Boor gibt allerdings zu Bedenken, dass die bisherigen Erkenntnisse noch nicht repräsentativ auf die Gesamtbevölkerung zu übertragen seien. Die bisher ausgewerteten 250 Obduktionen reichten hierfür gewiss noch nicht aus. Aber der Oberarzt zeigt sich zuversichtlich – im Frühjahr könnten weitere Erkenntnisse veröffentlicht werden, durch die man Corona noch besser verstehen könne.
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