Durchfallerkrankungen prägen die ersten Tage von Saugferkeln. Neben Bakterien und Viren sind dafür vor allem Einzeller verantwortlich. Toltrazuril galt hierfür lange als bewährter Wirkstoff. Doch neue Ergebnisse zur Anwendung überraschen.
Cystoisospora suis (früher Isospora suis) ist ein Endoparasit der Ordnung Eimeriida und der Erreger der Cystoisosporose des Schweines, auch als Saugferkelkokzidiose bezeichnet. Der einzellige Parasit ist weltweit verbreitet und in nahezu allen Ferkelerzeugerbetrieben anzutreffen. In Mitteleuropa (Deutschland, Österreich und Schweiz) liegt die Prävalenz bei circa 76 Prozent.
Durch die intestinale Lebensweise kommt es im Laufe einer Infektion mit dem Erreger zu einer progressiven Zerstörung intestinaler Zellen und in der Folge zum nekrotischen Untergang der Mikrovilli im Darm. Großflächige Mukosaschäden und massive Diarrhö sind die Folgen.
Die hohe Morbidität geht zwar mit einer niedrigen Mortalität einher, jedoch verkomplizieren bakterielle und virale Sekundärinfektionen das Krankheitsbild, sodass bestandsweite Erkrankungen oft hohe Verluste unter den Ferkeln verursachen. Aufgrund des Auftretens (zwischen dem 8. und 10. Lebenstag) wird die Erkrankung auch „10-Tages-Durchfall“ genannt.
Betroffene Schweinebetriebe setzen bei Cystoisospora-induzierter Diarrhö metaphylaktisch das antikokzidiell wirkende Toltrazuril ein. Die bisherige Studienlage zur Effektivität des Einsatzes von Toltrazuril in Saugferkelbetrieben war jedoch recht dünn. Aus diesem Grund führten Forscher rund um die Parasitologin Barbara Hinney von der Vetmeduni Vienna eine großangelegte Feldstudie durch, um die Prävalenz der Parasiten in vier europäischen Staaten zu überprüfen. Gleichzeitig wollten die Wissenschaftler auch Managementfaktoren, die eine Infektion begünstigen, unter die Lupe nehmen.
Insgesamt wurden 49 Schweinebetriebe in Österreich, der Tschechischen Republik, Deutschland und Spanien untersucht. Hierfür entnahmen die Forscher gepoolte Kotsammelproben aus verschiedenen Ferkelbuchten bzw. Würfen (2 oder 3 Wochen alte Saugferkel). Die Kotproben wurden anhand ihrer Konsistenz klassifiziert (Score 1 bis 4, wobei 3 und 4 als Durchfall gewertet wurden) und jeweils mittels Autofluoreszenzmethode auf Oozysten untersucht. Jeder Betrieb wurde zusätzlich hinsichtlich Management und Behandlungsschema befragt und beurteilt.
Insgesamt 603 Würfe wurden zweimalig untersucht, sodass 1.206 Kotproben zur Verfügung standen. Innerhalb dieser Kotproben konnte bei 39,3 % der Erreger C. suis nachgewiesen werden. In dieser Gruppe waren 15 % geringgradig, 11,8 % mittelgradig und 12,5 % hochgradig mit den Protozoen befallen.
Rund 5,1 % der Kotproben wurden als Durchfall klassifiziert (Score 3 oder 4), wohingegen 48,0 % der Kotproben als fest und 46,8 % als breiig-pastös zu werten waren. Beachtlich: Breiig-pastöse Kotproben enthielten tendenziell mehr Erreger als flüssige Kotproben.
Ein Betrieb wurde dann als positiv bewertet, wenn in mindestens einem Wurf C. suis nachgewiesen werden konnte. Demzufolge waren 71,4 % der untersuchten Schweinebetriebe positiv.
Dreißig der 49 Betriebe gaben an, den Ferkeln Toltrazuril zu verabreichen. Neun Schweinebetriebe behandelten ihre Saugferkel spätestens am 3. Lebenstag (frühe Behandlung) mit Toltrazuril, während 10 Betriebe erst nach dem 3. Lebenstag das Antikokzidum verabreichten (späte Behandlung). Die restlichen 7 Betriebe behandelten ihre Tiere genau in der Übergangszone.
Aufgrund der Untersuchungen konnten signifikante Unterschiede bei der Oozystenausscheidung festgestellt werden. Betriebe, die ihre Saugferkel erst nach dem 3. Lebenstag behandelten, waren zu 90 % positiv, während nur 44,4 % der Betriebe mit einem frühen Behandlungsregime an Cystoisospora-suis-Infektionen litten.
Sowohl Betriebe, die Toltrazuril anwendeten, als auch Ferkelstationen, die kein Toltrazuril verwendeten, zeigten hohe Oozystenausscheidungsraten (46 % mit Toltrazuril bzw. 52,5 % ohne Toltrazuril).
Mit Ausnahme von zwei Schweinebetrieben berichteten alle Ferkelerzeuger, dass sie ihren Stall reinigen sowie desinfizieren. Der Großteil der Betriebe gab zusätzlich an, welche Produkte zur Desinfektion verwendet werden.
Das Wirkungsspektrum der einzelnen Desinfektionsmittel wurde anhand der Liste von Desinfektionsmitteln gemäß der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft überprüft, wobei nur zwei Betriebe geeignete Produkte (auf Kresolbasis) verwendeten. In diesen Betrieben konnten auch keine Oozysten nachgewiesen werden.
Die Studie zeigt auf, dass trotz des Einsatzes von Toltrazuril viele Saugferkel noch Oozysten ausscheiden. Überraschend ist, dass Betriebe mit metaphylaktischem Toltrazuril-Einsatz keine signifikant bessere Befalls- sowie Durchfallrate aufwiesen, als Aufzuchtstationen, die gänzlich auf den Einsatz von Toltazuril verzichten. Diese Erkenntnis widerspricht sämtlichen Labor- und Feldstudien, welche die hohe Wirksamkeit von Toltrazuril im Kampf gegen Cystoisosporosen aufzeigen. Erklärungen hierfür wären etwa Fehler in der fachgerechten Anwendung der Arzneimittel oder bereits aufgetretene antiparasitäre Resistenzen.
Da toltrazurilresistente Cystoisospora-suis-Stämme bislang nur in den Niederlanden und auch nur in einem einzelnen Betrieb nachgewiesen werden konnten (sämtliche Betriebe im Umkreis wiesen keine Resistenzen auf), kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Resistenz nicht auf die umliegenden Länder ausgeweitet hat. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass erhebliche Anwendungsfehler sowie die mangelnde Hygiene (keine ausreichende Reinigung und Desinfektion der Ferkelbuchten) für die kontinuierliche Protozoenbelastung verantwortlich gemacht werden kann.
Bei der Anwendung von Toltrazuril sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen, um seine volle Wirksamkeit zu gewährleisten. Einerseits muss der Wirkstoff regelmäßig verabreicht, andererseits auch zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Dosierung bei allen gefährdeten Ferkel angewendet werden. Verzögerte oder gar sporadische Behandlungsschemata führen zu keinem signifikanten Nutzen, sodass die Bildung von Resistenzen begünstigt wird.
Experimentelle Studien zeigen auf, dass die volle Wirksamkeit der Behandlung bis zum 5. Lebenstag (also ca. 2 Tage nach der Infektion) gewährleistet ist. Parallel dazu ist ein ausgeklügeltes Hygienemanagement (geeignete Desinfektionsmittel, Hygieneschleusen u. ä.) für die Kontrolle der Cystoisosporose von wesentlicher Bedeutung.
Durch entsprechende koproskopische Untersuchungsmethoden kann einerseits die Befallsintensität in einem Betrieb erhoben, andererseits auch eine Toltazuril-Resistenz frühzeitig erkannt werden.
Aufgrund der Tatsache, dass die Bekämpfung in vielen Betrieben nicht ausreichend ausgearbeit zu sein scheint, muss vermehrt Augenmerk auf die Aufklärung der Erkrankung, der richtigen Anwendung von Toltrazuril und der notwendigen Hygienemaßnahmen (geeignete Desinfektionsmittel) gelegt werden.
Die Studie zum Einsatz von Toltrazuril bei Saugferkeln kannst du hier nachlesen.
Bildquelle: Kameron Kincade, unsplash